Fotografen sind die Urheber ihrer Fotos und nur sie selbst verfügen über die Nutzungsrechte ihrer Aufnahmen. Fotografen bestimmen das Motiv, die Perspektive, den konkreten Ausschnitt und komponieren den Lichteinfall eines Bildes – auf diese Weise wird die Fotografie zu einer kreativen, schöpferischen Leistung. Möchte ein Dritter das Werk eines Fotografen veröffentlichen, benötigt er dazu seine Einwilligung, eine sogenannte „Lizenz“. Aus diesem Grunde wird unter Profis mit entsprechenden Nutzungsrechtsvereinbarungen gearbeitet, um den Umfang der Rechteeinräumung abschließend zu klären und um im Nachhinein keine bösen Überraschungen zu erleben.
Ob bei Schmuck-, Fashion- oder Lifestyle-Fotografie, selten sind am Entstehungsprozess eines Bildes nur der Fotograf (Urheberrecht) und das Model (Recht am eigenen Bild) beteiligt. Oftmals sind auch andere Personen in den Entstehungsprozess involviert und unter Umständen haben diese ebenfalls Rechte an dem entsprechenden Bild und gelten möglicherweise als sogenannte Miturheber.
Voraussetzung, dass auch andere Akteure als der Fotograf als Miturheber gelten können, ist, dass sie ebenfalls einen schöpferischen Beitrag während Entstehung des Bildes beitragen und dabei nicht ausschließlich auf Anweisung – beispielsweise des Fotografen – handeln. Doch wie verhält es sich beispielsweise mit Visagisten? Können auch sie Miturheber eines Fotos werden?
Sind Visagisten Miturheber?
Aus der Modelbranche hört man immer wieder, dass Visagisten zu entsprechenden Shootings zwar hinzugebucht werden und dies auch vertraglich geregelt wird, selten aber werden Vereinbarungen mit den Visagisten getroffen, die auch die etwaigen Urheberrechtsansprüche an den Stylings regeln.
Der Bundesgerichtshof und das Urheberrecht: Es kommt auf den Einzelfall an
Zum Werkschutz einer ganz ähnlichen Berufsgruppe, den Maskenbildnern, hat sich der Bundesgerichtshof schon vor einigen Jahren geäußert. Für diese hat er angenommen, dass deren Leistungen regelmäßig keinen Urheberrechtsschutz genießen, weil die Maskenbildner weisungsgebunden agieren. Sie sind insofern nicht pauschal der Gruppe der ausübenden Künstler nach §73 UrhG zuzuordnen. Allerdings hat der Bundesgerichtshof auch deutlich gemacht, dass die Entscheidung immer einzelfallabhängig ist und ein Urheberrechtsschutz nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist.
Einzelfallbezogen muss eine Beurteilung auch bei Visagisten erfolgen. Sicherlich scheidet ein Urheberrechtsschutz dann aus, wenn es sich um ein Make-up handelt, welches dem Alltäglichen im Shooting-Bereich entspricht und keinerlei Besonderheiten aufweist.
In Betracht kommen könnte ein Urheberrechtsschutz hingegen dann, wenn das Make-up Besonderheiten aufweist und optisch beispielsweise in puncto Farben, Verzierungen und Mustern über das Übliche hinausgeht. Ebenso ist denkbar, dass ein Visagist das Aussehen und den Charakter des Models durch seine Arbeit vollständig verändert und den Inhalt der Fotoaufnahme dadurch besonders stark und in kreativer Weise mitgeprägt.
Bundessozialgericht: Visagist ist ein kreativer Beruf
Dass der Beruf eines Visagisten grundsätzlich ein kreativer und künstlerischer Beruf ist, hat übrigens auch das Bundessozialgericht in einem Urteil festgestellt, bei dem es darum ging, ob Visagisten Mitglied der Künstlersozialversicherung werden dürfen.
Zwar hat diese Entscheidung keine unmittelbaren Auswirkungen auf die urheberrechtliche Einordnung von Visagisten, dennoch hat das Bundessozialgericht in seinen Ausführungen mit klaren Worten deutlich gemacht, dass auch der Visagist und der Stylist als Kreative/Künstler betrachtet werden können, „weil sie das Gelingen des Kunstwerks durch ihre Arbeit entscheidend mitgestalten“.
Mike Tyson setzt auch im Urheberrecht Maßstäbe
Welche juristischen Probleme „Gesichtskunst“ bereiten kann, hat vor einigen Jahren in den USA die Produktionsfirma des Filmes „Hangover II“ erfahren müssen. Gegenstand des Prozesses gegen Warner Bros. war ein Tattoo im Gesicht von Ex-Boxer Mike Tysen, einem der Protagonisten des Films. Und jenes Tattoo war nicht nur Bestandteil der filmischen Handlung, sondern wurde eben auch zu Marketingmaßnahmen verwendet. Das bereitete der Produktionsfirma kurz vor Filmstart erhebliche Probleme, denn sie hatte nicht bedacht, für die Produktion die Nutzungsrechte vom Tätowierer einzuholen.
Auch wenn es sich bei einem Tattoo allenfalls um ein „Permanent-Make-up“ handelt, zeigt der Fall doch, dass auch Kunst im Gesicht einen Urheberrechtsschutz für sich beanspruchen kann.
Fazit: Nutzungsvereinbarung auch mit Visagisten treffen
Bei der Nutzung von urheberrechtlich geschützten Fotos sollte daher mit höchster Sensibilität darauf geachtet werden, wer am Entstehungsprozess des Werkes beteiligt war und wer als Miturheber eines Werkes infrage kommt.
Denn werden neben dem Fotografen auch andere Akteure an der Entstehung eines Bildes beteiligt, bedarf es für die Nutzung des Bildes auch einer Einwilligung dieser. Fehlt es an einer solchen Einwilligung, ist die Rechtekette lückenhaft und es besteht bei jeder Nutzung die Gefahr, dass sich ein übergangener Miturheber gegen die weitere Verwendung des Werkes wendet oder sogar Schadensersatzansprüche daraus ableitet.
Daher liegt es im Interesse aller Beteiligten von Anfang an auch mit solchen Akteuren eine Nutzungsrechtsvereinbarung zu schließen – auch wenn diese vielleicht nicht auf den ersten Blick als Miturheber des Werkes erscheinen, wie das eben bei Visagisten beispielsweise der Fall ist. Aber allein durch eine solche Vereinbarung kann die notwendige Rechtssicherheit hergestellt werden, um im Nachhinein nicht unerwartet mit Ansprüchen konfrontiert zu werden oder ein Foto nicht verwerten zu können. Schließlich dient es aber auch den Visagisten selbst auf eine umfassende Nutzungsrechtsvereinbarung hinzuweisen, da sie dadurch nicht nur als Dienstleister, sondern tatsächlich als Miturheber wahrgenommen werden und dies ihre kreative Tätigkeit im Entstehungsprozess eines Fotos aufwertet.