Verkauf von Apps: Überreguliert sind doch nur die anderen!

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WEITERFÜHRENDE LESEEMPFEHLUNG: Informationspflichten für E-Commerce und E-Distribution

Wer über viele Jahre im E-Commerce tätig war und erfolgreich einen Onlineshop aufgebaut hat, hat zumeist auch mit einem oder zwei Rechtsanwälten so oft sprechen müssen, dass sie schon zum erweiterten Freundeskreis zählen. Man hat sich über die Nutzung von Bildern, das Impressum („Was? Wo? Und warum gleich noch mal?“), Informationspflichten, die „Buttonlösung“ (wenn Sie einen eignen B2C-Shop haben und Ihnen der Begriff nichts sagt, empfehlen wir eine kurze Recherche dazu), Produktsicherheitsstandards, Kennzeichnungspflichten, Lieferzeitangabe, Retouren (insbesondere die „unfreien“), Gewährleistungs- und Garantiefälle die Köpfe heiß geredet und unendliche Möglichkeiten erörtert.

Vertreibt man hingegen Apps, ist die Sachlage eine ganz andere. So scheint es zumindest.

Besucht man die gängigen Portale, auf denen Unternehmer ihre Apps anbieten, fällt auf, wie sparsam hier Informationen zu Anbieter und angebotenem Produkt gestreut werden.  Vermutlich kommen zahlreiche Anbieter dabei nicht einmal auf die Idee, dass sie damit gegen gesetzliche – zum Teil mit Bußgeld bewehrte – Pflichten verstoßen, denn viele die Plattformen sehen Möglichkeiten zur Einbindung von unterschiedlichen und umfangreichen Rechtstexten – wie sie Unternehmen, die mit deutschen Verbrauchern entgeltliche Verträge abschließen möchten, zumeist benötigen – von Haus aus gar nicht vor.

Dabei gilt auf diesen Portalen nichts anderes als auch bei eBay, Amazon und all den vielen anderen Plattformen, auf denen Unternehmer gegenüber Verbrauchern Waren und Leistungen gegen Entgelt anbieten. Zu beachten sind insbesondere die Vorschriften des Telemedien-, des Datenschutz-, des Verbraucherschutz- und des Wettbewerbsrechts, wobei sich die Maßgaben des Verbraucherschutzrechts nicht nur aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), sondern auch aus anderen Rechtsquellen wie zum Beispiel der Preisangabenverordnung ergeben können. Für Apps, die rechtstechnisch gesehen sogenannte „digitale Inhalte“ darstellen, gilt diesbezüglich nichts anderes.

Auch App-Anbieter sind nicht frei von Informationspflichten

Auch App-Verkäufer sind nicht vogelfrei und unterliegen der Informationspflicht.
Auch App-Verkäufer sind nicht vogelfrei und unterliegen der Informationspflicht.

Aus diesen beschriebenen Ausführungen folgt beispielsweise:

  • Der Unternehmer muss eine vollständige Anbieterkennzeichnung („Impressum“) leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar halten. Den Nutzer dürfen maximal zwei Klicks von diesem Impressum trennen. Dann muss er alle Informationen einsehen können. Eine Weiterleitung auf ein Impressum außerhalb des Portals, also zum Beispiel auf eine eigene Website, ist damit grundsätzlich möglich – dort muss dann allerdings auch ein vollständiges und aktuelles Impressum einsehbar sein.

Mit Blick auf die Impressumspflicht kommt es übrigens nicht auf die Gewerblichkeit des App-Anbieters oder auf die Entgeltlichkeit der abgeschlossenen Verträge an – jede „Geschäftsmäßigkeit“ genügt. Folglich sind nur rein private beziehungsweise familiäre Angebote von der Impressumspflicht befreit.

  • Der Unternehmer ist verpflichtet, den Kunden alle gesetzlichen Pflichtinformationen mitzuteilen, die im Hinblick auf den Abschluss von Fernabsatzgeschäften und Verträgen im elektronischen Geschäftsverkehr bestehen. Es handelt sich dabei um ein abgestuftes, recht kompliziertes System, das den Kunden, die als Verbraucher mit einem Unternehmer ein entgeltliches Geschäft automatisiert im Internet abschließen, den höchsten Schutzstandard sichert. Wie? Durch Information, Information, Information.

Um diese Informationen bestmöglich zu erteilen, sind die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) ein hervorragendes Instrument.

Pflichtinformationen für digitale Inhalte (wie zum Beispiel zur Interoperabilität, Kompatibilität der App) können alternativ auch in einem Freifeld zur Beschreibung der App eingestellt werden, sofern das Portal der Wahl für diese Hinweise nicht sowieso spezielle Felder vorsieht.

Die Pflichtinformationen sind dem Kunden vor Abgabe seiner Vertragserklärung in klarer und verständlicher Weise zur Verfügung zu stellen. Ein „Nachschieben“ ausschließlich per E-Mail, genügt also nicht.

Aber: Auch im nachvertraglichen Bereich hat der Unternehmer noch Informationspflichten zu erfüllen. Die Erfüllung dieser nachvertraglichen Informationspflicht kann jedoch auch mit der Bereitstellung des Zugangs zur App zusammenfallen.

  • Ein Teil dieser eben angesprochenen Informationspflichten erfüllt der Unternehmer (der Apps gegen Entgelt zumindest auch Verbraucherkunden anbietet) durch Vorhalten eines Muster-Widerrufsformulars und einer vollständigen, aktuellen und zutreffenden Belehrung über das gesetzliche Widerrufsrecht, die natürlich im Fall von Apps, die vom Kunden heruntergeladen werden können, die gesetzlichen Besonderheiten zu „digitalen Inhalten“ berücksichtigen sollten.

Es liegt vorrangig im Interesse des Unternehmers, bei der praktischen Umsetzung dieser gesetzlichen „Besonderheiten“ juristisch sehr sauber vorzugehen:

Nur dann, wenn der Kunde ausdrücklich zugestimmt hat, dass der Unternehmer den Vertrag vor Ablauf der Widerrufsfrist (gesetzliches Minimum: 14 Tage) ausführen darf und dem Unternehmer seine Kenntnis über den vorzeitigen Verlust des gesetzlichen Widerrufsrechts bestätigt hat, erlischt das gesetzliche Widerrufsrecht vorzeitig.

Das zuvor angesprochene Muster-Widerrufsformular hat der Gesetzgeber im Übrigen dankenswerterweise in Anlage 2 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und § 2 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB zur Verfügung gestellt.

  • Beim Anbieten und/oder Bewerben von Apps unter der Angabe des Preises sind gegenüber Verbraucherkunden des Weiteren sogenannte Gesamtpreise Und am Gesamtpreis ist auf im Preis enthaltene Steuern und sonstige Preisbestandteile hinzuweisen.
  • Unternehmer mit Sitz in der Europäischen Union (EU) sind verpflichtet, auf den Link zur EU-Schlichtungsstelle Darüber hatten wir bereits hier ausführlich berichtet.
  • Des Weiteren ist der Nutzer zu Beginn des Nutzungsvorgangs in einer Datenschutzerklärung über die Art, den Umfang und die Zwecke der Erhebung und Verwendung seiner personenbezogenen Daten inner- und außerhalb der EU in allgemein verständlicher Form zu unterrichten – und sieh an, dafür gibt es Schaltflächen in den Verkäuferprofilen im Play Store.
  • Dem Kunden ist der Zugang seiner Bestellung unverzüglich auf elektronischem Wege zu bestätigen (zum Beispiel per E-Mail).

Manche Leser mögen nun einwenden „Ja, aber die Portale regeln das ja alles bereits detailliert in ihren Nutzungsbedingungen“.

Diesem Einwand müssen wir leider widersprechen und führen als Gegenbeweis das folgende Beispiel an:

Die terms des Play Store enthalten folgende Belehrung zum Erlöschen des Widerrufsrechts:

Die terms im Play Store
Quelle: Google Play Nutzungsbedingungen

Diese terms sind in ihrer Pauschalität – mit Blick auf das deutsche Recht – nicht zutreffend: 

Zum einen knüpft sich das gesetzliche Widerrufsrecht nach deutschem Recht nicht an allein daran, dass der Kunde ein Geschäft als Verbraucher im Sinne von § 13 BGB getätigt hat, sondern auch an die besondere Situation, in der der Vertrag geschlossen wurde, also zum Beispiel „außerhalb von Geschäftsräumen“ oder eben im Wege des Fernabsatzes, wozu auch der automatisierte Onlineeinkauf zählt.

Zum anderen ist die Sache in Deutschland so gelagert, dass Verbraucherkunden, denen das gesetzliche Widerrufsrecht zusteht, dieses nur dann vor Ablauf der Mindestwiderrufsfrist von 14 Tagen verlieren, wenn sie

  1. ausdrücklich zugestimmt haben, dass der Unternehmer mit der Ausführung des Vertrags vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt UND
  2. ihre Kenntnis davon betätigt haben, dass sie durch ihre Zustimmung das Widerrufsrecht verlieren werden.

Die bloße Information, die sich in den terms „versteckt“, genügt nicht als Abfrage der ausdrücklichen Zustimmung des Kunden.

Was folgt für App-Verkäufer daraus?

Sie denken jetzt vielleicht „Wo kein Kläger, da kein Richter“ und haben damit sicher nicht ganz unrecht.

Oder Sie behandeln die App wie jeden anderen digitalen Vertriebsweg auch und schaffen einen Mindeststandard an Gesetzkonformität – damit schonen Sie im besten Fall Ihre „Kriegskasse“ vor ärgerlichen Abmahnungskosten – und der eine oder andere Verbraucher fühlt sich außerordentlich gut informiert und aufgehoben.

Übrigens: Wenn Sie als Unternehmer mithilfe Ihrer App Waren und/oder Leistungen an Kunden absetzen (oder gegebenenfalls auch nur bewerben), geht der Spaß von vorne los und Sie müssen wiederum in der App selbst – in unterschiedlich starker Ausprägung – die gesetzlichen Pflichtinformationen umsetzen (OLG Hamm, Urteil vom 20.05.201, Az:  I-4 U 225/09. Die beispielhafte Aufzählung der gesetzlichen Pflichten weiter oben ist nicht abschließend und es können – je nachdem, welche Waren oder Leistungen in der App angeboten und/ oder beworben werden – noch zusätzliche produktspezifische Informations- und Kennzeichnungspflichten bestehen. Ein Beispiel: Verkaufen Sie über Ihre App Pullover, sind die Anforderungen der Textilkennzeichnungsverordnung in der App zu beachten und umzusetzen.

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