Vergleichsplattformen aufgepasst: Deutlicher Hinweis auf bezahlte Top-Bewertungen erforderlich
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Ein Blick ins Bewertungssystem von Jameda
Auf der Homepage von jameda.de können Nutzer Ärzte nach einem Schulnotensystem bewerten und auch Kommentare zu diesen abgeben. Zudem lassen sich Mediziner durch eine Suchfunktion finden.
Durch Eingabe bestimmter Suchparameter können die Ergebnisse der Ärztesuche sortiert werden, etwa nach Entfernung, der durchschnittlich von anderen Usern abgegebenen Note oder der Anzahl der Bewertungen. Werden keine solchen Parameter eingegeben sondern Praxen nur nach den zwingend zu nutzenden Kriterien „Was“ und „Wo“ ohne weitere Differenzierung gesucht, wird die Ergebnisliste aus einer Kombination der Kriterien „durchschnittliche Note“ und „Anzahl der Bewertungen“ zusammengestellt.
Das Ergebnis der Suche wird als Rangliste dargestellt, wobei eine weiße Zahl in einer blauen Blase vor den jeweiligen Ärzten deren Platzierung im Ranking angibt. Das Bewertungsportal finanziert sich unter anderem aus dem Verkauf sogenannter „Premium-Pakete“ an Ärzte. Diese können sich damit, unabhängig von ihren Bewertungen durch andere Nutzer, für ihr Fachgebiet eine Platzierung über allen anderen Ärzten sichern. Die Hintergrundfarbe dieser Platzierung ist hellgrün, die der übrigen Ergebnisse weiß. Statt einer Platzierungsziffer befindet sich in der blauen Blase vor dem Ergebnis ein Sternchen. Außerdem unterscheiden sich die Anzeigen von den restlichen Ergebnissen durch die Nennung von E-Mail-Adresse und Telefonnummer sowie eine detaillierte Beschreibung der Behandlungsschwerpunkte. Es fehlt bei diesen Anzeigen hingegen die Nennung der Durchschnittsnote und der Anzahl der Bewertungen, wie dies bei den übrigen Ärzten der Fall ist.
Am rechten Seitenrand der kostenpflichtigen Anzeige befindet sich in kleiner weißer Schrift vor grauem Hintergrund der Schriftzug „Premium-Partner“. Wenn der Nutzer mit dem Mauscursor über das Wort fährt, erscheint ein Textfeld mit dem Inhalt:
„Diese Anzeigen sind optionaler Teil des kostenpflichtigen Premium-Pakets Gold oder Platin und stehen in keinem Zusammenhang zu Bewertungen oder Empfehlungen. Sie sind Arzt und interessieren Sie sich für diese exklusive Platzierung? (...).“.
Irreführung, weil Nutzer an die Unbestechlichkeit des Algorithmus glauben
Diese Aufmachung der gekauften Anzeigeplätze beanstandete das LG München I als wettbewerbswidrig. Es handelt sich bei diesen um irreführende geschäftliche Handlungen nach §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), da nach Ansicht der Richter die angesprochenen Nutzer irrig glauben, die Ärzte mit dem erworbenen „Premium-Paket“ führten die Ergebnisliste an, weil sie nach dem für alle Mediziner geltenden Such-Algorithmus das beste Ergebnis erzielt hätten und nicht, weil sie hierfür viel Geld bezahlt haben.
Dabei stellt das Gericht fest, dass ein durchschnittlicher Verbraucher den Suchergebnissen erhöhte Aufmerksamkeit zuteil kommen lässt, da er als potentieller Patient die Seite nach besonders gut bewerteten Ärzten absucht. Selbst einem derart aufmerksamen Nutzer entginge allerdings, dass die Führung des Rankings erworben wurde, so das Gericht.
Denn anders als bei reinen Suchmaschinen, bei denen der Nutzer der Reihenfolge der Ergebnisse (nach Auffassung des Gerichts) keine gesteigerte Bedeutung beimesse, habe dieses Ranking in einem Bewertungs- und Empfehlungsportal wie jameda.de eine erhebliche Bedeutung, suggeriere es doch eine nach bestimmten Kriterien absteigend sortierte Listung, wobei die besten Ergebnisse oben stünden. Bereits die Abfolge der Ergebnisse sei eine Empfehlung an die jeweiligen Nutzer, da sich diese aus den durchschnittlichen Bewertungen anderer Nutzer ergibt und damit implizit eine Qualitätsaussage trifft. Der verständige Betrachter geht also anders als etwa bei einem alphabetisch geordneten Branchenbuch davon aus, dass die obersten Positionen auch von den bestbewerteten Medizinern bekleidet werden.
Klar und deutlich sagen, was es ist: Werbung
Dass die Platzierung an oberster Stelle gegen Entgelt erfolgte und so das Ranking verzerrt dargestellt, manche sagen sogar "manipuliert" wurde, hat jameda.de nicht hinreichend kenntlich gemacht. Der werbende Charakter einer Angabe muss auf den ersten Blick für den Nutzer erkennbar sein, etwa durch räumliche Trennung von den anderen Ergebnissen und eine eigene Überschrift sowie ein klares Label wie „Anzeige“ oder „Werbung“. Dass die Bezeichnung mit englischsprachigen oder unverfänglicheren Begriffen wie „sponsored“ oder „ad“ nicht dem Trennungsgebot genügt, haben Gerichte in der Vergangenheit bereits in einer Vielzahl von Konstellationen entschieden (vgl. BGH Urteil vom 06.02.2014, Az. I ZR 2/11 - GOOD NEWS II sowie das von der Wettbewerbszentrale erstrittene frische Urteil des LG München I vom 31.07.2015, Az.: 4 HK O 21172/14 [nicht rechtskräftig]).
Im Fall von Jameda war eine Trennung aber noch weniger erkennbar. Alle Ergebnisse erschienen in derselben Liste. Auch die Hinterlegung der Anzeige mit einer hellgrünen Farbe war nach Ansicht der Richter nicht ausreichend, den Werbecharakter in ausreichendem Maße zu unterstreichen. Denn diese könnte aus Sicht eines durchschnittlichen Nutzers auch eine besondere Hervorhebung des Bestplatzierten sein. Gleiches gilt für das Fehlen einer Bewertungsangabe bei den erworbenen Anzeigen. Dadurch kann ebenfalls der Eindruck entstehen, es handele sich um ein Charakteristikum der obersten Platzierung. Ebenso kann auch das Sternchen in der blauen Blase, die sonst für die Platzziffer verwendet wird, als besondere Auszeichnung verstanden werden.
Darüber hinaus genügt auch der Hinweis „Premium-Partner“ nach Auffassung des Gerichts nicht den Anforderungen an die Erkennbarkeit der Werbung. Zwar sei nicht stets die Verwendung des Wortes „Anzeige“ oder „Werbung“ notwendig. Aber aus dem leicht zu übersehenden Wort „Premium-Partner“ ergibt sich für den durchschnittlichen Nutzer nicht zwangsläufig, dass es sich um einen mit dem Portal vertraglich verbundenen Arzt handelt, der für diesen Eintrag an dieser Position Geld an das Portal zahlt. Es könnte als solcher vielmehr auch ein besonders guter oder beliebter Arzt bezeichnet werden. Zudem ist auch der Mouseover-Effekt, also das Erscheinen eines Textes bei Bewegung des Mauscursors, nicht zur Aufklärung geeignet, da Hinweise auf eine solche Funktion auf der Website fehlen und die Wahrnehmung durch den Nutzer damit vom Zufall abhängt. Zu solchen "Mouseover-Tricks" haben bereits das LG Hamburg (Urteil v. 13.06.2014, Az.: 315 O 150/14 = MMR 2014, 612) sowie bereits früher das OLG Frankfurt (Beschluss vom 23.2.2011, Az.: 6 W 111/10) einen Riegel vorgeschoben:
Das LG Hamburg führt in seinem Urteil zur Preisangabenverordnung aus:
„Die Angabe der Versandkosten durch die Mouseover-Funktion wird den Anforderungen der PAngV nicht gerecht. Der sogenannte Mouseover-Effekt ist zur hinreichenden Aufklärung von vornherein unzureichend, weil der Mouseover-Link als solcher nur erkannt wird, wenn der Besucher der Webseite den Curser über den als Link ausgestatteten Bestandteil der Webseite bewegt. Dazu aber bietet die beanstandete Werbung keinen zwingenden Anlass. Es ist daher keineswegs sichergestellt und hängt eher vom Zufall ab, ob die Besucher der Seite den Link überhaupt wahrnehmen.
(…)
Hinzu tritt hier, dass der Mouseover-Effekt erst dann aktiviert wird, wenn der Nutzer mit der Maus über die Produktabbildung fährt, (nicht aber, wenn er über die Produktbezeichnung, Preisangabe und den Anbieter fährt). Durch diese begrenzte Funktionsweise wird gerade nicht gewährleistet, dass die Versandkosten in jedem Fall wahrgenommen werden. Schließlich hat die Antragstellerin unwidersprochen vorgetragen, dass viele Nutzer die Mouseover-Funktion deaktiviert haben, so dass auch vor diesem Hintergrund nicht sichergestellt ist, dass auf diese Weise die Versandkosten wahrgenommen werden.“
Dem ist nichts hinzuzufügen. Pflichtinformationen oder aufklärende Hinweise per Mouseover kann sich der Werbende sparen, sie werden vom Verkehr nicht wahrgenommen und sind rechtlich unbeachtlich.
Fazit: Schleichwerbung auf eigenes Risiko
Das LG München I hat damit abermals aufgezeigt, wie wichtig die Trennung von Werbung und anderem Inhalt auf einer Website ist. Dabei gelten für Bewertungsportale nochmals strengere Anforderungen als für „normale“ Suchmaschinen, da –nach Auffassung des Gerichts- schon der Reihenfolge der Suchergebnisse eine empfehlende und damit werbliche Aussage entnommen werden kann. Betreiber solcher Portale müssen hierauf besonders achten, um nicht in eine Haftungsfalle zu geraten.