Pressemitteilung: #TwitterSperrt zu Unrecht
Spirit Legal LLP setzt beim Landgericht Nürnberg-Fürth Unterlassungsanspruch gegen die Sperrung eines Twitter-Accounts wegen eines Wahlaufrufs durch.
Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat mit Beschluss vom 07.06.2019 (Az. 11 O 3362/19) entschieden, dass es dem Sozialen Netzwerk Twitter untersagt ist, den Account eines Twitter-Nutzers auf twitter.com wegen der nachfolgenden Äußerung auf twitter.com befristet zu sperren:
„Aktueller Anlass: Dringende Wahlempfehlung für alle AfD-Wähler. Unbedingt den Stimmzettel unterschreiben. ;-)“.
Die Plattform Twitter hatte den Account des Nutzers gesperrt und diese Sperre damit begründet, dass die von ihm getätigte Äußerung gegen die „Richtlinie zur Integrität von Wahlen“ von Twitter verstoße. Hiergegen wandte sich Spirit Legal LLP im Auftrag des Twitter-Nutzers mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung.
In seinem darauffolgenden Beschluss sah das Gericht diese Sperrung als rechtswidrig an und begründete dies unter anderem damit, dass Twitter zwar ein „virtuelles Hausrecht“ auf der eigenen Plattform zustehe, dieses aber nicht grenzenlos ausgeübt werden könne. Die Befugnisse des Plattformbetreibers würden beschränkt durch die Wertentscheidungen des Grundgesetzes, insbesondere durch die mittelbare Drittwirkung der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz.
Weiter führt das Gericht aus:
„Unter Berücksichtigung des Grundrechts der Meinungsfreiheit ist eine Sperrung des Accounts des Antragstellers im vorliegenden Fall daher nicht gerechtfertigt und zu untersagen. Aus diesem Grund kann es letztlich auch dahinstehen, ob die Richtlinie zur Integrität von Wahlen wirksam in das Vertragsverhältnis einbezogen wurde, da auch diese jedenfalls im Lichte des Grundrechts der Meinungsfreiheit auszulegen ist und dementsprechend die hier vorliegende Meinungsäußerung nicht erfasst.“
Dazu Dr. Jonas Kahl, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht bei Spirit Legal LLP:
„Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat in seinem Beschluss klargestellt, dass eine Plattform wie Twitter nicht nach Gutdünken eigene Regeln aufstellen kann, sondern Grundrechte wie die Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG mitberücksichtigen muss. Da dies hier nicht der Fall war, hat das Gericht die Twitter-Richtlinie zur Integrität von Wahlen im Lichte des Grundrechts der Meinungsfreiheit ausgelegt und der Plattform die Nutzer-Sperrung untersagt. Unseres Wissens nach handelt es sich um die erste Entscheidung eines deutschen Gerichts, welche sich mit der von Twitter erst im April 2019 eingeführten „Richtlinie zur Integrität von Wahlen“ auseinandersetzen musste. Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat klar gemacht, dass es selbstverständlich von der Meinungsfreiheit gedeckt ist, wenn man AfD-Wählern den satirischen Hinweis gibt, ihren Stimmzettel zu unterschreiben.“
Beschluss des LG Nürnberg-Fürth vom 07.06.2019 (Az. 11 O 3362/19) im Volltext
UPDATE 24. Juni 2019:
Mit Beschluss vom 21. Juni 2019 hat nun auch das Landgericht Dresden (Az. 1a O 1056/19) beschlossen, dass Twitter die Sperrung eines Nutzers wegen einer entsprechenden "Wahlempfehlung" aufzuheben hat. In jenem Fall haben Spirit Legal LLP Rechtsanwälte die Account-Sperrung im Auftrag des Dresdner Landtagskandidaten von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Dr. Dietrich Herrmann, angegriffen. Er hatte im Mai ebenfalls eine derartige ironische Wahlempfehlung als Tweet veröffentlicht und ist seitdem von Twitter gesperrt. Auf eine entsprechende Abmahnung hin zeigte Twitter keine Reaktion.
Das Landgericht Dresden hat in seinem Beschluss nunmehr festgestellt, dass die Äußerung des GRÜNEN-Politikers zum einen vom Grundrecht der Meinungsfreiheit erfasst ist. Es sei erkennbar, dass auch der Antragsteller nicht davon ausgehe, dass die potenziellen Wähler der AfD - wie auch der größte Teil der deutschen Bevölkerung - nicht intelligent genug wären, die Satire und die erkennbare Fehlerhaftigkeit dieser "Aufforderung" zu erkennen.
Unter Berücksichtigung des Grundrechts der Meinungsfreiheit, sei eine Sperrung des Accounts des Antragstellers im vorliegenden Fall daher nicht gerechtfertigt und zu untersagen. Die Twitter-Richtlinie zur Integrität von Wahlen müsse jedenfalls im Lichte des Grundrechts der Meinungsfreiheit ausgelegt werden.
Hervorzuheben ist an der Entscheidung des Landgerichts Dresden zudem, dass sich das Gericht ausdrücklich dazu äußert, dass der Antrag nicht übersetzt werden müsse. Denn die Art und der Umfang der Geschäftstätigkeit von Twitter in Deutschland würden es nahelegen, dass Twitter über Mitarbeiter verfüge, welche sich um rechtliche Auseinandersetzungen mit den Kunden in Landessprache kümmern können. Twitter verfüge über Millionen deutsche Kunden und betreibe auch seine Plattform in deutscher Sprache, etwa die Allgemeinen Geschäftsbedingungen und die Datenschutzrichtlinien.
- Beschluss des Landgerichts Dresden vom 21. Juni 2019, Az. 1a O 1056/19 im Volltext
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