Mein Arbeitnehmer gehört zu mir – vertraglich vereinbarte Abwerbeverbote zwischen Unternehmern
BGH, Urteil vom 30. April 2014 – I ZR 245/12 – Abwerbeverbot
Es gibt sie noch, die Fragen, zu denen sich der BGH bislang nicht positioniert hat. Nun hat sich der BGH zu der Frage geäußert, ob die Vorschrift des §75f HGB, wonach Einstellungsverbote nicht gerichtlich durchsetzbar sind, auch auf Abwerbeverbote anwendbar sind.
Abwerbeverbote (auch als „no-poaching-agreement“ bezeichnet) finden sich in zahlreichen Kooperationsverträgen. Dass solche Klauseln kaum mehr als gegenseitige Willensbekundungen sind, ist häufig den beteiligten Vertragspartnern klar.
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: zwei Unternehmen der Automobilbranche kooperierten im Vertrieb und vereinbarten im Kooperationsvertrag das folgende Abwerbeverbot:
„Jede Partei verpflichtet sich, während sowie drei Jahre nach Beendigung dieses Vertrags keine Mitarbeiter der anderen Partei direkt oder indirekt abzuwerben. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Bestimmung in Satz 1 zahlt die verstoßende Partei an die andere Partei eine Vertragsstrafe in Höhe von zwei Bruttojahresgehältern (einschl. Prämien, Tantiemen) des betreffenden Mitarbeiters, der unter Verstoß gegen die Verpflichtung gemäß Satz 1 von der betreffenden Partei abgeworben wird, wobei zur Berechnung der Vertragsstrafe das Bruttojahresgehalt des betreffenden Mitarbeiters maßgeblich ist, das er im Jahr vor Verwirkung der Vertragsstrafe bezogen hat.“
Drei Jahre nach Ende der Kooperation wechselten zwei Vertriebspartner vom einen zum anderen Vertriebspartner. Der alte Arbeitgeber berief sich auf das vereinbarte Abwerbeverbot und verlangte eine Vertragsstrafe in Höhe von rund 390.000 Euro. Die Klage wurde abgewiesen, der BGH hat dieses Ergebnis bestätigt.
Wesentlicher Streitpunkt war § 75f HGB, der Einstellungsverbote zwischen zwei Unternehmern als nicht einklagbar erklärt. Ein vereinbartes Einstellungsverbot ist deshalb nicht belastbar, denn bei Nichtbeachtung kann der eine Unternehmer gegen den anderen Unternehmer nicht gerichtlich vorgehen.
Im vorliegenden Fall hatten die Unternehmen allerdings kein Einstellungsverbot, sondern ein Abwerbeverbot vereinbart. Bislang war unklar, ob § 75f HGB auch auf vertragliche Abwerbeverbote zwischen Arbeitgebern anzuwenden ist.
In § 75f HGB wird geregelt:
„Im Falle einer Vereinbarung, durch die sich ein Prinzipal einem anderen Prinzipal gegenüber verpflichtet, einen Handlungsgehilfen, der bei diesem im Dienst ist oder gewesen ist, nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen anzustellen, steht beiden Teilen der Rücktritt frei. Aus der Vereinbarung findet weder Klage noch Einrede statt.“
Der BGH hat sich nun erstmals zu dieser Frage geäußert und entschieden, dass Abwerbeverbote ebenfalls nicht gerichtlich durchsetzbar sind. Dies soll in Bezug auf alle Arbeitnehmer gelten und nicht nur für Handlungsgehilfen i. S. d. HGB.
Nach Ansicht des BGH soll ein Arbeitgeber mit einem Arbeitnehmer ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbaren und während dessen Dauer (max. 2 Jahre) eine Karenzentschädigung zahlen, wenn er das Abwandern seiner Arbeitnehmer verhindern will. Ein mit einem anderen Unternehmen vereinbartes Abwerbeverbot wäre für den Arbeitgeber zwar finanziell attraktiver. Allerdings würde eine solche Arbeitgeberansprache den Arbeitnehmer in seinem beruflichen Fortkommen unangemessen behindern, denn die Abwanderung der Mitarbeiter ohne Entschädigungszahlungen wirkt sich zulasten der Berufsfreiheit der Mitarbeiter aus. Kann der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz wegen des Abwerbeverbots nicht mehr frei wählen, so würde ein beruflicher Wechsel erheblich erschwert werden.
Die in § 75f HGB geregelte Unverbindlichkeit einer Sperrabrede hat dieselbe Zielsetzung. Deshalb sieht der BGH vertragliche Abwerbeverbote ebenfalls vom Anwendungsbereich der Norm umfasst und kommt zu dem Ergebnis, dass solche Vereinbarungen nicht gerichtlich durchsetzbar sind.
Wann ist ein Abwerbeverbot ausnahmsweise zulässig?
Allerdings erkennt der BGH, dass es durchaus Situationen geben kann, in denen Abwerbeverbote belastbar und einklagbar sein können. Dies sei insbesondere der Fall, wenn das Abwerbeverbot nicht Hauptzweck der Vereinbarung, sondern einer besonderen Schutzbedürftigkeit Rechnung tragende Nebenbestimmung sei. Der BGH nennt drei konkrete Beispiele: (i) im Rahmen einer Due Diligence, (ii) im Rahmen einer umwandlungsrechtlichen Abspaltung und (iii) auch bei Vertriebsvereinbarungen wie im vorliegenden Fall. Wenn das vertragliche Abwerbeverbot nicht der Umgehung von Karenzzahlungen dient, sondern um die illoyale Ausnutzung von Erkenntnissen zu verhindern, dann sollen entsprechende Vereinbarungen zulässig und auch einklagbar sein.
Für diese möglichen Ausnahmen zieht der BGH eine zeitliche Grenze: Im Anlehnung an die maximale Laufzeit von nachvertraglichen Wettbewerbsverboten sollen vertragliche Abwerbeklauseln nicht länger als zwei Jahre wirksam sein.
Im vorliegenden Fall ereignete sich der Mitarbeiterwechsel erst im dritten Jahr nach Abschluss der Vereinbarung und damit zu einem Zeitpunkt, zu dem aus dem Abwerbeverbot nicht mehr gerichtlich vorgegangen werden konnte.
Praxistipps:
Bei der Vereinbarung von Einstellungsverboten und Abwerbeverboten ist deshalb darauf zu achten, dass die berechtigten Interessen und Motive der Vertragsparteien dargestellt werden, um eine Umgehung des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots auszuschließen.
Außerdem sollten die Vertragsparteien konkrete zeitliche Anknüpfungspunkte vereinbaren und dabei die vom BGH definierte Höchstgrenze von maximal zwei Jahren beachten.