Fluggastrechte: Wenn Reisegepäck verspätet, beschädigt oder gar nicht ankommt
Die 5 häufigsten Irrtümer bei Gepäckverspätung, Gepäckbeschädigung und Gepäckverlust
Inhaltsverzeichnis
- Die Airline zahlt mir auf jeden Fall eine Pauschale
- Die Entschädigung wird nach dem Gewicht des Gepäckstücks berechnet
- Auf ein Mitverschulden meinerseits kommt es gar nicht an
- Die mir entgangene Urlaubsfreude und vertane Zeit muss ersetzt werden
- Wäre ich entsprechend versichert gewesen, wäre alles nur halb so schlimm
Beschädigung oder Verlust des Gepäcks 1. Irrtum: Die Airline zahlt mir auf jeden Fall eine Pauschale!
Die ordnungsgemäße Gepäckbeförderung ist eine Hauptleistungspflicht des Flugbeförderungsvertrags, was bedeutet, dass die Airline dem Passagier nicht nur die pünktliche Personenbeförderung, sondern auch die pünktliche und ordnungsgemäße Beförderung des aufgegebenen Reisegepäcks schuldet.
Ist das Montrealer Übereinkommen (MÜ) auf einen Flugbeförderungsvertrag anwendbar, wird gemäß Artikel 31 MÜ zunächst davon ausgegangen, dass das aufgegebene Reisegepäck unbeschädigt angeliefert wurde, wenn der Empfänger es vorbehaltlos annimmt. Diese Vermutung gilt es im Schadensfall zu widerlegen. Dazu muss der Empfänger folglich zunächst nach der Entdeckung des Schadens beim Luftfrachtführer – also der Airline – Anzeige erstatten.
Es sind die zum Teil recht kurzen Meldefristen zu beachten. Beschädigungen an Reisegepäck sind spätestens binnen sieben Tagen nach Annahme anzuzeigen. Verspätete Lieferungen sind für Reisegepäck binnen einundzwanzig Tagen nach Verfügbarmachen der Gepäckstücke der Airline anzuzeigen. Werden diese Fristen versäumt, können Ansprüche gegen die Fluggesellschaft nur noch schwer bis gar nicht durchgesetzt werden, es sei denn, der Passagier kann ein arglistiges Handeln der Airline darlegen und nachweisen.
Ist die Flugbeförderung Teil eines Reisevertrags, ist der Schadensfall auch gegenüber dem Reiseveranstalter anzuzeigen. Als Reise zählt die Bündelung mehrerer Einzelreiseleistungen zu einem Gesamtpaket durch einen Reiseveranstalter, der dann wiederum gegenüber dem Fluggast als „vertraglicher Luftfrachtführer“ auftritt.
Warten Sie am Fließband vergeblich auf Ihren Koffer oder weist dieser neue Beschädigungen auf, sollten Sie also umgehend eine Schadensanzeige bei der Airline aufgeben. Der Schaden darf allerdings nicht auf einer Eigenart des Gepäcks beruhen bzw. nicht bereits vorhanden gewesen sein. Bitten Sie um eine Kopie der Anzeige, sofern Sie diese nicht unaufgefordert ausgehändigt bekommen – eine mündliche Erklärung zu einem aufgenommenen Schadensfall ist nicht ausreichend (so auch das AG Bremen bzgl. eines vor Ort per Computerniederschrift fristgemäß aufgenommenen „Damage-Reports“, Urteil vom 5.12.2013, Az. 9 C 244/13). Bewahren Sie die Kopie der Schadensanzeige sowie das Flugticket mit dem beigefügten bzw. aufgeklebten Gepäckabschnitt, einschließlich der Gepäckstücknummer, sorgfältig auf.
Beugen Sie späterem Ärger vor, indem Sie bereits beim Kofferpacken eine Liste der Inhalte erstellen. Diese kann später als Nachweis dienen, welche Gegenstände abhandengekommen sind.
Tätigen Sie Noteinkäufe vor Ort, heben Sie die Quittungen auf und achten Sie darauf, dass sich aus ihnen zweifelsfrei ergibt,
- wieviel
- wovon
- zu welchem Preis,
- wann und
- wo
erworben worden ist. Die Belege dienen dem Nachweis einer konkreten Schadenshöhe und sollten daher aussagekräftig genug sein. Insbesondere bei Einkäufen auf lokalen Märkten sollte der Inhalt des Quittungsbelegs kritisch geprüft werden. Sind die Angaben auf Thermopapier gedruckt, fertigen Sie alsbald hiervon eine Fotokopie an, da ein zur Unleserlichkeit verblichener Quittungsbeleg wertlos ist.
Liegen diese Voraussetzungen vor und ereignet sich der Schadensfall im Rahmen einer Beförderungsleistung, die in den Geltungsbereich des MÜ fällt, sieht es gar nicht so schlecht aus, eine Entschädigung zu erhalten.
Der Entschädigungsanspruch ist jedoch auf einen Höchstbetrag pro Person, nicht pro Gepäckstück gedeckelt. Derzeit beträgt die Haftungsgrenze für Gepäckschäden oder -verlust rund EUR 1.320,00 (1.131 sog. Sonderziehungsrechte – SRZ, eine Recheneinheit des Internationalen Währungsfonds). Diese Höchstbetragsgrenze wird häufig als „Entschädigungspauschale“ verkannt.
Wird also beispielsweise ein Schaden in Höhe von EUR 550,00 mittels Belegen bzw. Quittungen nachgewiesen – also rund EUR 770 unter der Obergrenze – wird die Airline wohl nur dann mehr zahlen, wenn sie aus Kulanz dazu bereit ist.
Diese Höchstbetragsgrenze gilt im Übrigen dann nicht, wenn Sie der Airline angezeigt haben, dass Sie wertvolle Gegenstände mitführen und dafür einen entsprechenden Zuschlag gezahlt haben. Auch wenn der Luftfrachtführer arglistig gehandelt hat, sind höhere Entschädigungen möglich.
Fluggastrecht 2. Irrtum: Die Entschädigung wird nach dem Gewicht des Gepäckstücks berechnet!
Die Entschädigung für Schadensfälle beim Lufttransport von Gütern wird tatsächlich nach Gewicht gestaffelt. Für die Beförderung von Reisegepäck existiert im MÜ jedoch keine derartige Regelung.
Beschädigung des Reisegepäcks 3. Irrtum: Auf ein Mitverschulden meinerseits kommt es gar nicht an!
Leider nein, auch als Reisender haben Sie bestimmte Sorgfaltspflichten zu erfüllen.
Interessant hierzu der Sachverhalt, den das OLG Frankfurt am Main 2013 entschieden hat (Az. 16 U 98/13). Dort war einer Familie beinahe der gesamte Schmuck aus einem von der Airline verspätet abgelieferten, verschlossenen Koffer abhandengekommen. Der Familie wurde vom Gericht ein Mitverschulden angerechnet, sie hätte den wertvollen Schmuck entweder als Handgepäck transportieren oder wenigstens deklarieren müssen. Die Rechtsprechung sieht es als leichtfertig an, wertvolle Gegenstände als Gepäck aufzugeben, und spricht den Geschädigten jegliche Ansprüche ab. Begründend führte das OLG Frankfurt an:
„…Bei dem heutigen Massenverkehr müsse der Reisende stets mit der Möglichkeit des Verlustes von aufgegebenem Reisegepäck rechnen, so dass es einen groben Verstoß gegen die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten darstelle, wenn wertvolle Schmuckstücke im Reisegepäck und nicht im kontrollierbaren Handgepäck untergebracht würden…“
4. Irrtum: Die mir entgangene Urlaubsfreude und vertane Zeit durch Beschädigung oder Verlust des Reisegepäcks muss ersetzt werden!
Auch hier ist wieder zu unterscheiden, ob die Flugbeförderung Teil einer Gesamtheit von Reiseleistungen (z.B. im Rahmen einer Pauschalreise) war oder in Erfüllung eines eigenständigen Beförderungsvertrags (= Werkvertrag) erbracht wurde.
Eine angemessene Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit kann nach deutschem Recht nur verlangt werden, wenn ein Reisevertrag vorliegt. Die Entschädigungsansprüche sind in diesem Fall entsprechend über den Reiseveranstalter abzuwickeln.
Bucht der Kunde ausschließlich die Flugbeförderung, bekommt er immaterielle Schäden wie vertane Urlaubszeit oder entgangene Lebensfreude nicht gesondert entschädigt.
5. Irrtum: Wäre ich gegen den Verlust oder die Beschädigung meines Gepäcks versichert gewesen, wäre es halb so schlimm!
Das kommt darauf an – wir möchten nicht per se ausschließen, dass es Reisegepäckversicherungen gibt, die transparent, lebensnah und fair gefasst sind, und im Fall des Eintreten des Versicherungsfalls unbürokratisch und zügig die entstandenen Schäden liquidieren.
Ein Blick in die Versicherungsbedingungen verschiedener Anbieter zeigt jedoch, dass nicht selten sehr hohe Maßstäbe in Sachen Sorgfalt und Kontrolle an die Versicherungsnehmer gestellt werden. Deshalb sollten die eigene Bereitschaft, der Aufwand, die Kosten und der letztendliche Nutzen vor dem Abschluss einer entsprechenden Versicherung gut gegeneinander abgewogen werden.