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Grenzen der Haftung des Geschäftsführers bzw. Vorstands für Wettbewerbsverstöße (UWG) der Gesellschaft

Leitsätze des Urteils

  1. Der Geschäftsführer haftet für unlautere Wettbewerbshandlungen der von ihm vertretenen Gesellschaft nur dann persönlich, wenn er daran entweder durch positives Tun beteiligt war oder wenn er die Wettbewerbsverstöße aufgrund einer nach allgemeinen Grundsätzen des Deliktsrechts begründeten Garantenstellung hätte verhindern müssen.
  2. Allein die Organstellung und die allgemeine Verantwortlichkeit für den Geschäftsbetrieb begründen keine Verpflichtung des Geschäftsführers gegenüber außenstehenden Dritten, Wettbewerbsverstöße der Gesellschaft zu verhindern.
  3. Der Geschäftsführer haftet allerdings persönlich aufgrund einer eigenen wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht, wenn er ein auf Rechtsverletzungen angelegtes Geschäftsmodell selbst ins Werk gesetzt hat. 

Bisherige Auffassung des BGH zur persönlichen Haftung des Gesellschaftsorgans

Macht immer mehr Managern Angst: Persönliche Haftung für Wettbewerbsverstöße im Unternehmen.
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© Dmitriy Shironosov | Dreamstime

Die Frage, inwieweit Organe als die gesetzlichen Vertreter einer Gesellschaft für deren Wettbewerbsverstöße haften, beschäftigt den BGH bereits seit über 50 Jahren.

Im Jahr 1963 stellte der BGH den Grundsatz auf, der auch nach wie vor gilt, dass ein Geschäftsführer für einen Wettbewerbsverstoß der von ihm vertretenen Gesellschaft haftet, wenn er die Rechtsverletzung selbst begangen oder in Auftrag gegeben hat (BGH, Urteil vom 19. Juni 1963, Az. Ib ZR 15/62 - Verona-Gerät).

Mit seiner Entscheidung vom 26. September 1985 hat der BGH die Haftung des Geschäftsführers verschärft und diese auch dann bejaht, wenn er von Wettbewerbsverstößen der Gesellschaft Kenntnis hatte und es unterlassen hat, sie zu verhindern (Urteil vom 26. September 1985, Az. I ZR 86/83 – Sporthosen;  zuletzt bestätigt mit Urteil vom 9. Juni 2005, Az. I ZR 279/02 - Telefonische Gewinnauskunft).

Nachdem der BGH die Störerhaftung für das Recht des unlauteren Wettbewerbs (UWG) aufgegeben hatte (vgl. Urteil vom 22. 7. 2010 - I ZR 139/08 - Kinderhochstühle im Internet), welche noch Grundlage für die Haftungserweiterung im Jahre 1985 war, musste der BGH auch seine Rechtsauffassung zur Haftung von Organen für Wettbewerbsverstöße der Gesellschaft korrigieren.

Einschränkung der Geschäftsführerhaftung durch Urteil des BGH vom 18.06.2014

Mit Urteil vom 18.06.2014 (Az. I ZR 242/12 – Geschäftsführerhaftung) hat der BGH die Haftung des Geschäftsführers, wobei die Ausführungen auch für den Vorstand einer AG entsprechend gelten, wieder eingeschränkt. In der Urteilsbegründung führt der BGH (Rn 17) wie folgt aus:

„Eine persönliche Haftung des Geschäftsführers für unlautere Wettbewerbshandlungen der von ihm vertretenen Gesellschaft besteht danach nur, wenn er daran entweder durch positives Tun beteiligt war oder wenn er die Wettbewerbsverstöße aufgrund einer nach allgemeinen Grundsätzen des Deliktsrechts begründeten Garantenstellung hätte verhindern müssen.“

Allein die Kenntnis des Geschäftsführers von Wettbewerbsverstößen der Gesellschaft sei dagegen nicht ausreichend.

„Erforderlich ist vielmehr grundsätzlich, dass der Wettbewerbsverstoß auf einem Verhalten beruht, das nach seinem äußeren Erscheinungsbild und mangels abweichender Feststellungen dem Geschäftsführer anzulasten ist.“ (Rn19)

Kommt es in den folgenden Fällen zu einem Wettbewerbsverstoß der Gesellschaft, ist ausweislich der Urteilsbegründung (Rn. 19) die persönliche Haftung des Geschäftsführers zu bejahen, soweit keine entgegenstehenden Tatsachen vorliegen:

  • rechtsverletzende Benutzung einer bestimmten Firmierung,
  • allgemeiner Werbeauftritt eines Unternehmens,
  • allgemeine Konzept einer Kundenwerbung eines Unternehmens,
  • den Inhalt einer Presseerklärung eines Unternehmens, in der der Geschäftsführer selbst zu Wort kam und
  • den allgemeinen Internetauftritt des Unternehmers

Hintergrund für diese Zurechnung sei, dass Entscheidungen in den vorgenannten Bereichen typischerweise auf Geschäftsführungsebene entschieden werden.

Im Übrigen sei – wie bereits ausgeführt – eine Haftung nur dann gegeben, wenn eine wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht seitens des Organs verletzt wurde. In der Urteilsbegründung (Rn 26) werden vom BGH beispielhaft Konstellationen genannt, in denen die Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Pflicht in Betracht kommt:

„Die Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht im Zusammenhang mit der Organisation der von ihm vertretenen Gesellschaft ist allerdings zu erwägen, wenn der Geschäftsführer sich bewusst der Möglichkeit entzieht, überhaupt Kenntnis von etwaigen Wettbewerbsverstößen in seinem Unternehmen oder von ihm beauftragter Drittunternehmen zu nehmen und dementsprechend Einfluss zu ihrer Verhinderung ausüben zu können. In der Rechtsprechung ist dies angenommen worden, wenn ein Geschäftsführer sich dauerhaft im Ausland aufhält.“

Ferner sei eine persönliche Haftung des Geschäftsführers aufgrund einer eigenen wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht möglich (Rn 31):

„… wenn er ein auf Rechtsverletzungen angelegtes Geschäftsmodell selbst ins Werk gesetzt hat … .“

Zudem könne die Haftung eines Gesellschaftsorgans kann auch dadurch begründet werden (Rn 32), wenn es

„… über seine ihm gegenüber der Gesellschaft obliegenden Pflichten hinaus eine weitere Erfolgsabwendungspflicht Dritten gegenüber persönlich übernommen hat … .“

Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine abschließende Aufzählung. Es ist daher durchaus möglich und auch absehbar, dass die Rechtsprechung in anderen Fällen eine Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht annehmen wird.

Der Urteilsbegründung lässt sich allerdings auch eine Konstellation entnehmen, bei denen der BGH die Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht grundsätzlich verneint. So sei eine solche Verletzung noch nicht allein deshalb gegeben, wenn ein Subunternehmen beauftragt wird, das sich anschließend wettbewerbswidrig verhält. Grund hierfür sei (Rn 28), dass

„die Auslagerung von Tätigkeiten auf andere Unternehmen eine wettbewerbsrechtlich grundsätzlich unbedenkliche Unternehmensentscheidung ist, die nicht per se als Gefahrenquelle für Wettbewerbsverstöße angesehen werden kann.“

Anders soll dies jedoch zu beurteilen sein, wenn ein Subunternehmen mit der Durchführung einer Vertriebstätigkeit beauftragt wird, bei dem von vornherein mit Wettbewerbsverstößen gerechnet hätte werden müssen.

Praxistipps:

  1. Geschäftsführer und Vorstände haften für Wettbewerbsverstöße der Gesellschaft grundsätzlich nur dann, wenn sie diese selbst begangen oder veranlasst haben sowie bei Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrssicherungspflicht. Letzteres wird sich nur bei Kenntnis der aktuellen Rechtsprechung abschließend beurteilen lassen, da hier von einer Rechtsfortbildung durch die Gerichte auszugehen ist.
  2. Wird in einer Abmahnung auch vom Organ der Gesellschaft die Abgabe einer strafbewährten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung gefordert, ist stets zu prüfen, ob noch nach den vorstehenden Grundsätzen eine Haftung in Betracht kommt. Es ist davon auszugehen, dass sich einige Abmahner noch auf die „veraltete“ BGH-Rechtsprechung berufen.
  3. Ist die Haftung der Gesellschaft und des Organs zu bejahen und geben daraufhin beide eine strafbewährte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung ab, fällt bei einem Verstoß gegen die Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung durch das Organ, welcher der Gesellschaft gemäß § 31 BGB zugerechnet wird, nur eine Vertragsstrafe an, für die die Gesellschaft und das Organ gesamtschuldnerisch haften (BGH, Urteil vom 8.05.2014, Az. I ZR 210/12 – fishtailparka).

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