Erste Gerichtsentscheidung aus Tschechien zur Linkhaftung im Urheberrecht
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Linkhaftung im Urheberrecht in Tschechien: Der Ausgangsfall
Zugrunde lag dem Urteil in Tschechien ein Rechtsstreit zwischen der Tschechischen Anti-Piraterie-Union und der Tschechischen Piratenpartei aus dem Jahr 2011. Im Rahmen der Kampagne „Verlinkung ist kein Verbrechen“ starteten die tschechischen Piraten ein Webportal, das auf illegale Filme und TV-Shows aufseiten Dritter verlinkte. Ziel dieses Projekts war es, juristisch angegriffen zu werden und auf diese Weise zu klären, ob eine Linksetzung auf illegalen Content auch rechtswidrig sein kann. Über dieses Stöckchen ist die Anti-Piraterie-Union schließlich gesprungen und hat Strafanzeige gegen die tschechischen Piraten wegen der Verlinkungen erstattet. Diese mündete schließlich in der Prager Entscheidung.
Die Entscheidung des Gerichts
Das Prager Gericht verneinte im Ergebnis eine Strafbarkeit der Linksetzer wegen Urheberrechtsverletzung und begründete das mit einer Subsumtion des Falles unter sämtliche in Betracht kommenden nationalen und europäischen Entscheidungen, die bei dieser Frage relevant sein könnten. Zuletzt eben auch mit der GS Media-Entscheidung des EuGH.
Nachdem das Prager Gericht zunächst die wesentlichen Erwägungen des EuGH darstellt, führt es anschließend aus:
„Aus dem Vorstehenden kann man schließen, dass in dem Fall, wo ein eingebetteter Link zu einem auf einer anderen Website frei zugänglichen Werk ohne Erlaubnis des Urhebers auf eine Website gesetzt wird, zu ermitteln ist, ob der Link mit oder ohne Gewinnerzielungsabsicht bereitgestellt wurde. Wenn der Betreffende dabei keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgte, ist zu vermuten, dass er über die Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Veröffentlichung des geschützten Werkes nicht wusste und auch nicht wissen konnte. Dahingegen, wenn die eingebetteten Links mit Gewinnerzielungsabsicht bereitgestellt wurden, ist die Kenntnis der rechtswidrigen Veröffentlichung zu vermuten. Ist erwiesen, dass der Betreffende wusste oder hätte wissen müssen, dass der von ihm gesetzte Hyperlink Zugang zu einem unbefugt im Internet veröffentlichten Werk verschafft – weil er beispielsweise von dem Urheberrechtsinhaber darauf hingewiesen wurde –, so ist die Bereitstellung dieses Links als eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 zu betrachten.
In der Vorverhandlung befasste sich also das Gericht mit der Anklage auch im Hinblick auf die genannte rechtliche Analyse der Sache, wobei aus dem Aktenmaterial klar ersichtlich ist, dass die Webseiten www.sledujemefilmy.cz und www.sledujuserialy.cz nicht mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wurden (im Unterschied zu den vom Obersten Gericht entschiedenen Strafsachen).
Nach der Äußerung des damaligen Vorsitzenden der Angeschuldigten Herrn Lukáš Černohorský war der Zweck des Betreibens der Webseiten, ein funktionierendes Gleichgewicht zwischen den Rechten der Urheber, der Vertriebsfirmen und den Verbrauchern von urheberrechtlich geschützten Werken zu erreichen. Die Website bekannte sich dazu, dass ein Link kein Verbrechen ist, und missbilligte auch die Praktiken der Tschechischen Anti-Piraterie-Union (Blatt Nr. 150). Die Website wurde also ohne Gewinnerzielungsabsicht betrieben.
Es wurde zwar in der verhandelten Sache festgestellt, dass Textilbekleidung mit den Aufschriften „SLEDUJUSERIÁLY.CZ A NEHODLÁM PŘESTAT!“ (ichschaueserien.cz und will nicht aufhören!) verkauft wurde, man kann jedoch keine Verbindung der angeschuldigten juristischen Person mit dem Verkäufer dieser Gegenstände (Michal Běhal) aus den schriftlichen bzw. anderen Beweisen ableiten und der Zeuge Ivan Bartoš, der derzeitige Vorsitzende der Angeschuldigten, lehnt eine Verbindung ausdrücklich ab (Blatt Nr. 103).
Der Zeuge hat weiter angeführt, dass auf der Website keine Werbung untergebracht war, sondern lediglich ein Verweis auf eine Firma, welche wahrscheinlich eine Art Barter sei, wobei dieser durch einen anonymen Beiträger auf die Website habe gesetzt werden müssen. Auf diese Weise kam es nicht zur Bereicherung der Angeschuldigten (siehe polizeiliches Protokoll, Bezirkspolizeidirektion Prag III, SKPV, Abteilung für Wirtschaftskriminalität, Aktenzeichen KRPA-392558-20/TČ-2013-001391, auf Blatt Nr. 188 – 191).
Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass der Betrieb der gegenständlichen Webseiten nicht gewinnbringend war. Es ist kein Beweis im Aktenmaterial hinterlegt, der dies widerlegt bzw. in Frage stellt. Angesichts dieser Feststellung ist gegenüber der Angeschuldigten die Unkenntnis der rechtswidrigen Veröffentlichung an der ursprünglichen Stelle im Internet zu vermuten.“
Da die verlinkende Webseite keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgte, verneinte das tschechische Gericht schließlich eine Strafbarkeit:
„Die in der verhandelten Sache verfolgten Handlungen werden rechtlich qualifiziert als Straftat der Urheberrechtsverletzung, der mit dem Urheberrecht zusammenhängenden Rechte und der Rechte zur Datenbasis nach § 270 Abs. 1, Abs. 3 lit. a), lit. b) StGB. Um die grundlegenden Tatbestandsmerkmale dieser Straftat zu erfüllen, muss dabei Verschulden in Form von Vorsatz vorliegen. Bei juristischen Personen wird die Form des Verschuldens von der Form des Verschuldens jener Personen abgeleitet, deren Handlung den juristischen Personen im Sinne des § 8 SVerantG zurechenbar ist.
In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen befand das Gericht, dass angesichts der Absenz der subjektiven Seite der Personen, deren Handlung man der Angeschuldigten im Sinne des § 8 Abs. 1 lit. a), Abs. 3 SVerantG in Verbindung mit § 9 Abs. 3 SVerantG zurechnen könnte, die strafrechtliche Verantwortlichkeit auch in Bezug auf die angeschuldigte juristische Person nicht geltend zu machen ist. Nach der Vorverhandlung der Anklage und des Aktenmaterials kam also das Gericht zu dem Schluss, dass im vorliegenden Fall Gründe für die Einstellung der Strafverfolgung nach § 172 Abs. 1 lit. b) StPO gegeben sind, da die verfolgten Handlungen keine Straftat darstellen.“
Linkhaftung in Tschechien: Fazit
Die Entscheidung zeigt einmal mehr, dass die Rechtsprechung des EuGH nach und nach in einer Reihe von europäischen Mitgliedsstaaten Widerhall findet. Und das nicht nur im Zivilrecht, sondern auch im Strafrecht. Dabei fällt auf, dass das Merkmal der Gewinnerzielungsabsicht von den nationalen Gerichten durchaus unterschiedlich interpretiert wird.