Digital DNA #23 Newsletter: #TwitterSperrt

Bildmaterial von Unsplash.com / Bearbeitung Spirit Legal

#TwitterSperrt

Twitter, Facebook und Co. Nutzer sperren immer häufiger Nutzer wegen scheinbar unzulässigen Äußerungen. Besonders vehement wurde diese Diskussion vor der Europawahl unter der Überschrift #TwitterSperrt geführt. Grund war, dass die Plattform bereits einfache ironische Äußerungen über Parteien zum Anlass nahm, um die Nutzer wegen einer angeblich unzulässigen Wahlbeeinflussung zu sperren. Selbst der Ausschuss "Digitale Agenda" des Deutschen Bundestags kam nicht umhin, das Thema mit Experten und Unternehmensvertretern von Twitter zu diskutieren.

Es geht bei alledem um die Frage, was schwerer wiegt: das sogenannte „digitale Hausrecht“ der Sozialen Netzwerke oder die Meinungsfreiheit aus Artikel 5 unseres Grundgesetzes. Zwischenzeitlich liegen die ersten gerichtlichen Entscheidungen dazu vor, welche allesamt in die gleiche Richtung gehen: Soziale Netzwerke dürfen nicht nach Gutdünken eigene Regeln aufstellen, sondern müssen sich an die in Deutschland geltende Meinungsfreiheit halten. Tun sie das nicht, haben die Nutzer einen Anspruch auf Entsperrung.

Die dahinterstehende Grundsatzfrage, ob die Plattformbetreiber selbst oder deutsche Gerichte entscheiden, wer in den Sozialen Netzwerken die Hoheit hat, Regeln festzulegen, wird uns noch einige Zeit beschäftigen. Erst kürzlich stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass das Verhältnis zwischen Sozialen Netzwerken und ihren Nutzern verfassungsrechtlich noch ungeklärt sei und es dabei um "schwierige Rechtsfragen" gehe. In solchen Zweifelsfällen, merkte das höchste deutsche Gericht an, sei zunächst der Meinungsfreiheit Vorrang zu gewähren.

Dr. Jonas Kahl ist Rechtsanwalt bei Spirit Legal LLP in Leipzig. Als Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht berät und vertritt er Unternehmen, Internetportale, Journalisten, Blogger und Fotografen.

Spirit Legal LLP: Twitter sperrt zu Unrecht

Spirit Legal LLP setzt beim Landgericht Nürnberg-Fürth Unterlassungsanspruch gegen die Sperrung eines Twitter-Accounts wegen eines Wahlaufrufs durch. Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat mit Beschluss vom 07.06.2019 (Az. 11 O 3362/19) entschieden, dass es dem Sozialen Netzwerk Twitter untersagt ist, den Account eines Twitter-Nutzers auf twitter.com wegen der nachfolgenden Äußerung auf twitter.com befristet zu sperren: „Aktueller Anlass: Dringende Wahlempfehlung für alle AfD-Wähler. Unbedingt den Stimmzettel unterschreiben. ;-)“. Die Plattform Twitter hatte den Account des Nutzers gesperrt und diese Sperre damit begründet, dass die von ihm getätigte Äußerung gegen die „Richtlinie zur Integrität von Wahlen“ von Twitter verstoße. Hiergegen wandte sich Spirit Legal LLP im Auftrag des Twitter-Nutzers mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung. weiter lesen →

Netzpolitik: Twitter muss sich im Bundestag für Kontensperren rechtfertigen

"Twitter hat angegeben, die Entscheidungen zur Sperrung würden nicht automatisiert getroffen, sondern ausschließlich von Menschen. Die Moderator*innen arbeiteten als „globale Teams“ und würden anhand von Material der EU und des Bundeswahlleiters geschult. Sie werden jetzt als Konsequenz aus den vielen fälschlichen Sperrungen nachgeschult. Auch die Meldungen wegen Wahlmanipulation passieren nicht automatisiert, sondern stammen laut Twitter zu 100 Prozent von Nutzer*innen. Einige Kritiker*innen hatten zuvor vermutet, es handele sich um schlecht funktionierende Algorithmen, die harmlose Tweets falsch einstuften. Solche Algorithmen kämen zwar zum Einsatz, räumt die Vertreterin von Twitter ein, aber nur um zu erkennen, ob ein Tweet von mehreren Nutzer*innen gemeldet wurde. Sie sind nicht an Entscheidungen beteiligt. Interessant sind auch die Zahlen: Twitter gibt an, dass in keinem anderen EU-Land so viele Tweets als Wahlmanipulation gemeldet würden wie in Deutschland."  weiter lesen →

LTO: Face­book muss rechts­ex­t­reme Partei ent­sperren

"Facebook muss die Seite der rechtsextremen Kleinstpartei "Der III. Weg" bis nach der Europawahl wieder entsperren. Dazu verpflichtete das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) das soziale Netzwerk nach einem Eilantrag der Partei, wie es am Donnerstag aus Karlsruhe hieß. Das betreffe aber nicht "das Recht und die Pflicht des Unternehmens", einzelne Inhalte zu überprüfen und erforderlichenfalls zu löschen, hieß es (Beschl. v. 22.05.2019, Az. 1 BvQ 42/19). Die rechtsextreme Partei hatte im Januar einen fremdenfeindlichen Beitrag bei Facebook geteilt. Facebook sah seine Gemeinschaftsstandards verletzt und schränkte zunächst die Sichtbarkeit des Beitrags ein und sperrte das Veröffentlichen von neuen Beiträgen für 30 Tage. Nachdem Der III. Weg dagegen Einspruch unter Verweis auf die Meinungsfreiheit erhob, löschte Facebook das Konto. Vor den ordentlichen Gerichten blieb der Eilrechtsschutz gegen die Sperrung des Beitrags und des Kontos ohne Erfolg." weiter lesen →

-- ERGÄNZUNGEN --

Tagesschau: Viel Kritik an Twitters neuer Meldefunktion

"Das Grundproblem bleibt bestehen, dass private Unternehmen ohne jede Transparenz über zentrale Fragen von demokratischen Gesellschaften entscheiden - beispielsweise über die Grenzen der Meinungsfreiheit. Die digitale Öffentlichkeit diskutiert fast komplett auf den Plattformen von Konzernen - und dementsprechend geben diese durch ihre Algorithmen und Moderationsvorgaben auch den Rahmen vor und definieren, was erlaubt ist und was nicht."

News aus Recht, Technologie, Marketing & Wissenschaft

 

# Recht · Yale Law Journal: Sexual Privacy

"Traditional privacy law is increasingly insufficient to protect this interest. Its efficacy is eroding just as digital technologies magnify the scale and scope of the harm. The Article suggests a new approach to protecting sexual privacy that focuses on law and markets." weiter lesen →

# Technologie · Maciej Cegłowski: The New Wilderness

"Ambient privacy plays an important role in civic life. When all discussion takes place under the eye of software, in a for-profit medium working to shape the participants’ behavior, it may not be possible to create the consensus and shared sense of reality that is a prerequisite for self-government. If that is true, then the move away from ambient privacy will be an irreversible change, because it will remove our ability to function as a democracy." weiter lesen →

# Marketing · MOZ Blog SEO & PWA's: Looking to the Future

"In this article, I’ll be taking a fresh look at PWAs. As well as exploring implications for both SEO and usability, I’ll be showcasing some modern frameworks and build tools which you may not have heard of, and suggesting ways in which we need to adapt if we’re to put ourselves at the technological forefront of the web." weiter lesen →

# Wissenschaft · ACLU The Dawn of Robot Surveillance

"The ACLU's Jay Stanley has just published an important report: "The Dawn of Robot Surveillance". Basically, it lays out a future of ubiquitous video cameras watched by increasingly sophisticated video analytics software, and discusses the potential harms to society. You really need to read the whole thing." (via Bruce Schneierweiter lesen →

 

Spirit Legal LLP Neuigkeiten

 

Urteil des LG Dresden (rechtskräftig) mit erheblichen Auswirkungen für Websitebetreiber: Ohne IP-Maskierung verletzt der Einsatz von Google Analytics das Allgemeine Persönlichkeitsrecht. Beschluss im Volltext & Einschätzung von Peter Hense zum Artikel →

 

#TwitterSperrt zu Unrecht: Spirit Legal LLP setzt beim Landgericht Nürnberg-Fürth Unterlassungsanspruch gegen die Sperrung eines Twitter-Accounts wegen eines Wahlaufrufs durch. Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht Dr. Jonas Kahl mit einer Einschätzung. zum Video → 

 

Save the date! Unsere jährliche Veranstaltung Online Technologie & Marketing trifft Recht, kurz OTMR - Konferenz & Barcamp 2019, findet am Freitag, den 11. Oktober im IntercityHotel in Leipzig statt. Mehr Informationen demnächst auf der OTMR-Website → 

 

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