Die Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen Dritter gegen rechtsverletzende Beweismittel
Am Beispiel der Verwendung persönlicher Gesprächsprotokolle
Die Rechtsprechung schränkt den Rechtsschutz gegen Äußerungen von Prozessparteien über das sogenannte Äußerungsprivileg ein. Dieser Schutz findet seine Schranke dann, wenn nicht mehr rechtswidrige Äußerungen, sondern rechtswidrig erhobene Beweismittel im Zentrum der Auseinandersetzung stehen, deren bloße Existenz in Rechte Dritter eingreift. In diesem Fall bestehen Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche von Betroffenen gegen die Verwendung dieser Beweismittel in Prozessen, an denen sie nicht beteiligt sind. Ob effektiver Rechtsschutz durch eine Beteiligung am Ausgangsverfahren oder im Rahmen eines interferierenden Zweitprozesses gesucht und gefunden werden kann, soll Gegenstand dieses Beitrags sein.
1. Der unbeteiligte Dritte als Kollateralschaden im Zivilprozess
Die Prozessführung im Zivilprozess ist im Wesentlichen von einseitigem Parteivortrag in Form von Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen geprägt. Der Drang der Parteien, den Rechtsstreit zu gewinnen, führt dazu, dass der Sachvortrag seltener objektiv als selektiv geleistet wird. Neben Spitzfindigkeiten und Schlägen unter die Gürtellinie finden sich neben den Parteien des Rechtsstreits nicht selten auch unbeteiligte Dritte als Gegenstand des Sachvortrags wieder, was bei diesen in der Regel auf wenig Verständnis oder gar Gegenliebe stößt.
Begleitschäden resultieren nicht nur aus Vortrag in Schriftsätzen, sondern in besonderem Maße auch aus der Beweiserhebung. Die Rechtsprechung1 spricht dann vornehm davon, dass „die Darstellung der eigenen Rechtsauffassung über das zur Prozessführung ‚Notwendige‘ und ‚Erforderliche‘“ hinausgeht. Wer bereits einmal die kafkaeske Situation erlebt hat, durch unwahren oder ehrverletzenden Parteivortrag oder rechtswidrig erlangte Beweismittel zum Objekt eines fremden Prozesses zu werden, der wird sich mit der Frage beschäftigt haben: Wie ist es möglich, gegenüber schriftsätzlich oder mündlich vorgetragenen Äußerungen in einem Prozess, an dem man selbst nicht beteiligt ist bzw. gegenüber der Verwendung rechtswidrig erlangter oder gar manipulierter Beweismittel, separaten Rechtsschutz zu erreichen?2 Besonders herausfordernd ist dabei die Frage, wie mit den unterschiedlichen Arten der Verkörperung rechtswidrig erlangter Daten Dritter prozessual umzugehen ist.
2. Beispielsfall: Der Missbrauch intimer persönlicher Gesprächsprotokolle aus dem Intranet
Ein Mitarbeiter eines Unternehmens schreibt sich mit einer Kollegin private Direktnachrichten in einem besonders geschützten Bereich des unternehmenseigenen Intranet (private Nutzung gestattet), in denen sich die Kommunikationsteilnehmer über intime Details ihres Privatlebens sowie über das Unternehmen und ihre Kollegen austauschen. Dem Inhaber des Unternehmens ist das enge Verhältnis der beiden aus persönlichen Gründen ein Dorn im Auge, gegen den Mitarbeiter hegt er schon seit längerem einen tiefen persönlichen Groll; durch gezielte Observierung des Rechners erschleicht er sich das Passwort für den Account des Mitarbeiters.
Er liest sämtliche Nachrichten, druckt sie aus und speichert sie zudem auf einem Datenträger, den er mit nach Hause nimmt. Er fordert den Mitarbeiter zum Personalgespräch, eröffnet ihm die Tatsache, dass er „über alles genau Bescheid wisse“, die beiden „sich schämen sollten“ und spricht ihm die Kündigung aus. Im darauffolgenden Kündigungsschutzprozess legt der Inhaber sämtliche Ausdrucke der privaten Nachrichten ungeschwärzt vor und lässt vortragen, die Kündigung sei auf Grund des Inhalts dieser Nachrichten, wobei er schriftsätzlich die pikantesten Details noch einmal zusammenfasst, auf jeden Fall berechtigt.
Das Gerichtsverfahren zieht sich bereits ein halbes Jahr hin. Die Mitarbeiterin, mittlerweile wegen Mobbings erkrankt, da die Inhalte der Nachrichten auch im Kollegenkreis „durchgesickert“ sind, sucht nunmehr Rechtsbeistand und will, dass die Nachrichten nicht mehr verbreitet werden, insbesondere nicht in dem betreffenden Verfahren, an welchem sie nicht als Partei beteiligt ist.3 Für die Zwecke dieses Beitrags ist davon auszugehen, dass Art und Weise der Informationsgewinnung, Fixierung und Verbreitung seitens des Unternehmensinhabers rechtswidrig sind. Zweifelhaft ist jedoch, ob und wie die Perpetuierung des Rechtsverstoßes in dem betreffenden Verfahren durch einen Außenstehenden unterbunden werden kann.
3. Persönlichkeitsrecht vs. Äußerungsprivileg
Zwar stehen dem Verletzten bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen grundsätzlich Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche gegen den Rechtsverletzer zu, die der Verletzte mitunter auch im einstweiligen Rechtsschutz durchsetzen kann. Geht es um persönlichkeitsrechtsverletzenden Sachvortrag in einem gerichtlichen Verfahren, so erfahren die Abwehrrechte von Betroffenen jedoch eine erhebliche Einschränkung. Mit dem Argument der Gewährleistung einer funktionierenden Rechtspflege wird der Rechtsschutz gegen Äußerungen Dritter in einem laufenden Verfahren aufgrund des von der Rechtsprechung entwickelten „Äußerungsprivilegs“ stark begrenzt und eine Unterlassungsklage eines nicht am Prozess beteiligten Dritten gegenüber Zeugenaussagen und Parteivorbringen in gerichtlichen Verfahren mangels Rechtsschutzbedürfnisses4 bzw. aufgrund des Vorliegens eines Prozesshindernisses eigener Art für unzulässig erachtet.5
Als Begründung führen die Gerichte ins Feld, dass eine Abwägung widerstreitender Rechte und Interessen sowie die Überprüfung der Wahrheit von Äußerungen bereits durch das Ausgangsgericht erfolge.6 Der rechtsstaatlichen Ordnung laufe es demnach zuwider, Parteien in einem anderen Rechtsstreit zu verurteilen, Äußerungen zu widerrufen oder zu unterlassen, die sie in einem rechtsstaatlich geordneten Ausgangsverfahren abgegeben haben.7
Auch rechtswidrige Äußerungen von Prozessbeteiligten (ehr- oder persönlichkeitsrechtsverletzender Art) böten in einem geordneten Verfahren im Allgemeinen kein Schutzbedürfnis für eine gesonderte Ehrenschutzklage bzw. seien keinen Abwehransprüchen Dritter ausgesetzt, soweit Tatsachen oder Meinungen kundgetan werden, die (a) aus Sicht der vortragenden Partei zur Klärung des Rechtsstreits bzw. für die Rechtsverteidigung und Bewertung des Streitstoffs erforderlich sind, (b) der Darstellung des Streitstoffs dienen sowie (c) verfahrensbezogen sind.8
In diesem Zusammenhang wird es vor dem Hintergrund von Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip sowie der Äußerungsfreiheit der Prozessparteien und des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 GG als unvereinbar erachtet, „redlichen Sachvortrag“ in einem Zivilprozess aus Gründen des Ehrschutzes straf- oder zivilrechtlichen Sanktionen zuzuführen, nur weil der Vortrag sich später im Prozess als unrichtig oder unaufklärbar erweist.9 Rechtsschutz gegenüber Behauptungen im Prozess wurde von den Gerichten bisher nur dann zugelassen, wenn und soweit die Unhaltbarkeit einer Äußerung auf der Hand liegt oder sich ihre Mitteilung als missbräuchlich erweist.10
Der Praktiker erkennt in diesen Leitlinien vieles, aber keine klaren Konturen. So plausibel die obigen Argumente in den Ohren von Befürwortern effektiver Prozesserledigung klingen mögen, so vorsichtig und sparsam sollte mit ihnen jedoch umgegangen werden. Auch das Äußerungsprivileg ist eben ein Privileg, als solches eine Ausnahme und nach dem historisch-systematischen Auslegungsgrundsatz „singularia non sunt extenda“11 entsprechend restriktiv einzusetzen. Und tatsächlich liegt eine Schwäche dieses Privilegs nach Erfahrung der Autoren dieses Beitrags in seiner zu leichtfertigen Anwendung durch Prozessparteien und Gerichte, die im Interesse des ungestörten Verfahrensfortgangs Eingriffe in Persönlichkeitsrechte Dritter über die mitunter jahrelange Prozessdauer hinnehmen.
Der Bundesgerichtshof hat vor nicht allzu langer Zeit dem Äußerungsprivileg einige Grenzen gesetzt, was durchaus nötig war. Die Klage eines nicht prozessbeteiligten Dritten auf Unterlassung von prozessualen Äußerungen sei in Ausnahmefällen, sozusagen als „Rückausnahme vom Privileg“, jedenfalls dann zulässig, wenn die den Dritten betreffenden Äußerungen (a) ohne Bezug zum Ausgangsverfahren abgegeben werden, (b) erkennbar falsch sind oder sich (c) als unzulässige Schmähung erweisen.12 Das Rechtsschutzbedürfnis wird man demnach am Ehesten in Fällen versagen können, in denen sich eine am Ausgangsverfahren beteiligte Partei gegen Äußerungen in eben diesem Prozess wendet.13
Einer Einschränkung von Rechtsschutzmöglichkeiten für am Verfahren nicht beteiligte Dritte ist jedoch schon deshalb mit Vorsicht zu begegnen, weil persönlichkeitsrechtsverletzender Parteivortrag das rechtlich „Notwendige“ und „Erforderliche“ in aller Regel überschreitet und nicht mehr als „reine Rechtsverteidigung“ 14 angesehen werden kann. Darüber hinaus ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs noch weiter zu differenzieren, denn das Äußerungsprivileg gilt eben bereits seinem Wortlaut nach nur für mündliche und schriftliche Äußerungen, hingegen nicht gegenüber Ansprüchen, die der Abwehr rechtswidrig erlangter Beweismittel (z. B. Anlagen) als solcher dienen.15
Dass der Unternehmer im illustrierenden Beispielsfall die erkennbar sensible und private Kommunikation seiner Mitarbeiter ausgespäht, ausgedruckt, auf einen Datenträger kopiert und trotz Kenntnis der Persönlichkeitsrechtsverletzungen explizit für die weitere Prozessführung dosiert einsetzte und weiter vorrätig hielt, wiegt besonders schwer und findet Eingang in die Abwägung zwischen Persönlichkeitsrechten und dem Interesse an einer Gewährung einer funktionierenden Rechtspflege. In diesem Fall vorsätzlich rechtswidrig beschaffter intimer Kommunikation eines Dritten steht nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Verunglimpfung der Person im Vordergrund, sodass, gemessen an den Grundsätzen des BGH,16 eine Unterlassungsklage nicht am Äußerungsprivileg scheitern würde.
Was Gerichten und Praktikern im Umgang mit dem Äußerungsprivileg mitunter nicht leichtfällt, ist die bereits angesprochene Differenzierung zwischen mündlichem und schriftsätzlichem Vortrag auf der einen und den reinen Beweismitteln auf der anderen Seite, zumal es hier auch zu schwer trennbaren Gemengelagen kommen kann. Es bedeutet in der Praxis ja auch einen schwer erträglichen Eingriff in ein schwebendes Verfahren, wenn nicht am Prozess Beteiligte sich anschicken, Zeugen in einem laufenden Verfahren mit Hilfe eines eigenen Rechtsschutzbegehrens „auszuschalten“, sodass für den „Abschuss“ von anderen Beweismitteln doch wohl nichts anderes gelten könne?17
Doch anders als Zeugenaussagen und Parteibehauptungen, deren Bedeutung vorwiegend in ihrer prozessualen Relevanz für das Ausgangsverfahren liegt, sind widerrechtlich erlangte Beweismittel wie die heimlich ausgedruckten, verbreiteten und digital auf Datenträger vorgehaltenen Nachrichten aus der Intimsphäre von Betroffenen bereits durch ihre bloße Existenz als gewichtiger Eingriff in die Persönlichkeitsrechte zu werten.18 Zudem stehen Beweismittel, seien es analoge Tonbandaufnahmen oder digitale Datenträger und die hierauf fixierten Gespräche oder Daten jederzeit zur faktischen Verfügung des Beweisführers und können von diesem abgerufen werden, obwohl hierfür jedenfalls die Einwilligung des Betroffenen notwendig wäre.19
Das Rechtsstaatsprinzip gebietet es in diesen Fällen, die Verletzung verfassungsrechtlich geschützter Güter eines Dritten nicht durch den Rückgriff auf den Gesichtspunkt der Erforderlichkeit zur Rechtsverfolgung in einem anderen Verfahren auszuhöhlen, an dem der Dritte zudem nicht beteiligt ist. Nicht nur Persönlichkeitsrechte stehen in diesen Konstellationen auf dem Spiel, sondern auch das Recht des Dritten auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG: Mangels Parteistellung kann sich der Dritte nur bedingt gegenüber Äußerungen im Ausgangsverfahren zur Wehr setzen und ist daher auf zusätzliche Rechtschutzmöglichkeiten angewiesen.
Angesichts dieser stark grundrechtlich bestimmten Interessenlage liegen zwei Lösungen nahe: Entweder man beteiligt den Dritten im Ausgangsprozess, um zwischen den widerstreitenden Positionen bereits hier zu entscheiden bzw. ihm zu ermöglichen, der prozessualen Verwertung des Beweismittels widersprechen zu können. Oder aber man bejaht das Rechtsschutzbedürfnis für eine gesonderte, mit dem Ausgangsprozess womöglich interferierende Unterlassungsklage. Dass diese zulässig ist, ergibt sich aus dem Umstand, dass die Störung der Persönlichkeitsrechte sich durch den Besitz des Datenträgers und der ständigen Verfügbarkeit nicht in einer einmaligen Verletzung erschöpft, sodass dem Verletzten zumindest die Entscheidung verbleiben muss, ab welchem Zeitpunkt er sich gegen die Störung seiner Rechte zur Wehr setzt.20
4. Prozessuale Durchsetzung
Die Frage nach dem Königsweg für die prozessuale Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen ist in der Situation der Drittbetroffenheit nicht ganz einfach zu beantworten, da die ZPO für diese Konstellationen keine auf den ersten Blick einschlägigen Instrumente bereithält. Anders als der Strafprozess ist der Zivilprozess grundsätzlich vom Beibringungsgrundsatz bzw. der Parteimaxime gemäß § 138 ZPO geprägt, wonach Gegenstand der Urteilsfindung nur der durch die Parteien beigebrachte Tatsachenstoff ist.
Das Gericht ist nach § 286 ZPO i. V. m. Art. 103 Abs. 1 GG zudem gezwungen, alle von den Parteien angebotenen Beweismittel bzw. Beweisanträge zu berücksichtigen, sofern sie erheblich, beweisbedürftig und tatsachenbezogen sind. Eine eigene Sachverhaltsermittlung durch den Richter ist dem Zivilprozess fremd, ebenso wie ein Sachvortragsverwertungsverbot. Zudem existieren im deutschen Zivilprozessrecht keine rechtlichen Schranken für die Beweisführung mit Hilfe elektronischer Dokumente oder Daten, die auf einem Datenträger fixiert sind.
Andererseits ist im Beispielsfall das verwendete Beweismittel in Gestalt des Datenträgers mit einem erheblichen Makel behaftet, da die darauf befindlichen Daten durch rechtswidriges Verhalten des Beweisführers erlangt worden sind. Nun ist es einem Dritten prozessrechtlich nicht möglich, dem Tatsachenvortrag zu widersprechen oder den Vortrag gemäß § 295 ZPO zu rügen, wenn er nicht am Ausgangsprozess beteiligt ist.
Anleihen aus den Fachgerichtsbarkeiten mögen im Einzelfall über diese Hürde hinweghelfen, wenn z. B. das Bundesarbeitsgericht anerkennt, dass Persönlichkeitsrechte es gebieten können, selbst unstreitigen Sachvortrag entgegen § 138 Abs. 3 oder § 331 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht zur Entscheidungsgrundlage zu machen.21 Allerdings ist damit die entscheidende Frage nach Rechtsschutz gegen rechtswidrig erlangte Beweismittel nicht beantwortet.
4.1 Negative Feststellungsklage
Eine denkbare Möglichkeit ist es, eine Entscheidung über das Bestehen eines Beweisverwertungsverbotes aufgrund rechtswidrig erlangter Beweismittel dadurch herbeizuführen, indem über das Beweisverwertungsverbot rechtskräftig im Rahmen einer isolierten negativen Feststellungsklage entschieden wird. Zur Beantwortung derartiger Rechtsfragen oder erheblichen Vorfragen für Rechtsverhältnisse sind Gerichte jedoch zum einen nicht berufen, zum anderen ist auch die Feststellung der Unwahrheit oder Rechtswidrigkeit einer Tatsachenbehauptung unzulässig. Darüber hinaus verbietet der Vorrang der Leistungsklage ein Vorgehen durch eine Feststellungsklage. Die Feststellungsklage trifft auch nicht den Kern des klägerischen Begehrens und gibt ihm durch die fehlende Durchsetzbarkeit Steine statt Brot.
4.2 Widerklage
Auch eine Widerklage nach § 33 ZPO verspricht nicht den gewünschten Erfolg, da diese als Voraussetzung unter anderem das Vorliegen von Parteiidentität verlangt. Demzufolge unterscheidet sich das zuvor dargestellte Fallbeispiel der Klage eines Dritten gegen die Verwertung persönlichkeitsrechtsverletzender Beweismittel wesentlich von der für Widerklagen typischen Situation, denn hierbei wird üblicherweise eine Klage von einem Beklagten im selben Verfahren gegen den Kläger erhoben. Dies bedeutet, dass die Widerklage durch den Beklagten der Hauptklage erhoben werden muss.22 Eine isolierte (Dritt-)Widerklage durch einen nicht am Prozess beteiligten Dritten ist nach ganz h. M. unzulässig23 und gesetzlich so nicht vorgesehen.
4.3 Streitgenossenschaft
Weiterhin besteht die Möglichkeit, einer Partei im Ausgangsprozess als Streitgenosse i. S. d. §§ 59 f. ZPO beizutreten, da insofern die Option der isolierten Widerklage (gerichtet auf Unterlassung) zur Verfügung stünde, die mit der Ausgangsklage im Sinne des § 147 ZPO verbunden24 und gemäß § 32 ZPO auch vor dem Ausgangsgericht abgehandelt werden könnte, da die Prozessgegenstände tatsächlich und rechtlich in Zusammenhang stehen.25
Hiermit würde auch der Besonderheit rechtswidrig erlangter und persönlichkeitsrechtsverletzender Beweismittel gegenüber Dritten hinreichend Rechnung getragen werden, da die damit einhergehenden Beeinträchtigungen nicht mit den bislang zu Ehrschutzklagen gegenüber Parteivorbringen entwickelten Grundsätzen gleichzusetzen sind.26 Stattdessen gehen sie sogar darüber hinaus, denn ein mit Daten gespickter Datenträger führt im Falle der unbefugten Verwendung als Beweismittel im Ausgangsprozess, wie bereits festgestellt, zur Perpetuierung von Grundrechtsverstößen,27 sodass schutzwürdige Interessen des sodann Drittwiderbeklagten nicht entgegenstehen.
Hierbei muss das Persönlichkeitsrecht des betroffenen Dritten besonderen Schutz genießen und kann nicht durch das bloße Interesse des Beweisführers, sich das Beweismittel für zivilrechtliche Ansprüche zu sichern, zurücktreten.28
4.4 Nebenintervention
Auch die Nebenintervention gemäß § 66 Abs. 1 ZPO könnte als prozessuales Gestaltungsinstrument in Betracht gezogen werden, denn sie ermöglicht eine Einflussnahme auf den Prozess zwischen anderen Personen, sofern der Nebenintervenient in seiner Rechtsstellung vom Ergebnis des Prozesses betroffen ist. Der Begriff des rechtlichen Interesses in § 66 Abs. 1 ZPO ist dabei weit auszulegen und dann als gegeben anzusehen, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits durch Inhalt oder Vollstreckung unmittelbar oder mittelbar auf privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche Verhältnisse des Nebenintervenienten einwirkt.29
Im Ausgangsfall wirkt der Rechtsstreit zwischen dem Inhaber des Unternehmens und dem früheren Mitarbeiter infolge der Verwendung rechtswidriger Beweismittel jedenfalls mittelbar auf privatrechtliche Verhältnisse der Betroffenen ein. Der Rechtsverstoß wird durch die Verwertung des Beweismittels im Prozess sogar perpetuiert und vertieft. Diese Beeinträchtigung sollte genügen, um ein rechtliches Interesse zu bejahen. Während die Rechtsprechung ein rein ideelles, sittliches Interesse in Bezug auf § 66 Abs. 1 ZPO ablehnt,30 ist in der Literatur ein solches anerkannt, soweit es sich um ein privatrechtlich geschütztes Gut handelt, z. B. im Hinblick auf die Ehre.
Dabei schadet auch der Umstand nicht, dass lediglich die Prozesshygiene angestrebt bzw. ein „Beweisvernichtungsinteresse“ gerichtet auf die Begrenzung des Streitstoffs und kein Interesse am Ausgang des gesamten Rechtsstreits besteht, denn die Nebenintervention ist auch dann zulässig, wenn sich das Interesse des Nebenintervenienten nur auf einen Teil der Hauptsache beschränkt. Es erscheint daher vorzugswürdig, die Nebenintervention der Betroffenen im Beispielsfall zuzulassen.
Die Nebenintervention ist in der Regel die Folge einer Streitverkündung, §§ 72 f. ZPO. Der Beitritt des Dritten als Nebenintervenient erfolgt gemäß § 70 Abs. 1 ZPO durch Einreichung eines Schriftsatzes beim Prozessgericht. In dessen Folge könnte einer Partei als Nebenintervenient beigetreten werden, um die Verwertung der Beweismittel in Gestalt von Dateien und des Datenträgers gemäß § 295 Abs. 1 ZPO zu rügen, denn dem Nebenintervenienten als Verfahrensbeteiligtem ist ebenfalls rechtliches Gehör zu gewähren.
Der Nachteil von Streitgenossenschaft und Nebenintervention liegt jedoch in deren akzessorischem Charakter begründet, denn womöglich möchte die Betroffene weder für den Kläger, noch für den Beklagten Partei ergreifen. Das Beitreten auf Seiten einer Partei ergibt zudem in Konstellationen wenig Sinn, in denen beide Parteien in gleicher Weise auf das rechtswidrig erlangte Beweismittel zurückgreifen. Zudem setzt sich die Betroffene dem Risiko aus, dass die unterstützte Partei Prozesshandlungen vornimmt, wie z. B. ein Anerkenntnis, welche sie womöglich gegen sich gelten lassen muss.
Zwar führt die Streitgenossenschaft in ihrer Wirkung dazu, dass zwischen jedem Streitgenossen und jedem Prozessgegner ein eigenständiges Prozessrechtsverhältnis begründet wird. Allerdings können Prozesshandlungen eines Streitgenossen gegenüber den anderen Streitgenossen in die Beweiswürdigung einfließen (§ 286 ZPO), sodass andere Streitgenossen unter Umständen dadurch benachteiligt werden.31
Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass in Bezug auf den dargestellten Beispielsfall die zwingende Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit für alle Ansprüche der Betroffenen gegeben ist. Einer Beteiligung an einem Rechtsstreit der ordentlichen Gerichtsbarkeit stünde entgegen, dass Persönlichkeitsrechtsverletzungen im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis der ausschließlichen Zuständigkeit der Arbeitsgerichte unterfallen, was auch für Unterlassungsansprüche gilt (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 d) ArbGG).
Dies gilt selbst dann, wenn die unerlaubte Handlung erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses begangen worden ist bzw. das Arbeitsverhältnis zwischenzeitlich beendet wurde. Die einzige Voraussetzung für den zwingenden Weg in die Fachgerichtsbarkeit ist demnach, dass die unerlaubte Handlung in einer inneren Beziehung zum Arbeitsverhältnis der streitenden Parteien steht.32 Dieser Befund zeigt, dass es in der Praxis keinen Königsweg gibt, sondern bestenfalls einen ganz eigenen, an den Interessen, der Belastbarkeit und Rechtsschutzzielen der Betroffenen orientierten Weg, bei dem die Erfahrungen mit Prozessdauer, Geschäftsverteilung und insbesondere Fachkompetenz der angerufenen Gerichte keine untergeordnete Rolle spielen.
Positiv für Betroffene wirkt sich aus, dass die Reichweite von Unterlassungsansprüchen in den letzten Jahren vom Bundesgerichtshof deutlich ausgedehnt wurde. Diese Entwicklung hin zur stärkeren Verpflichtung des Unterlassungsschuldners zu aktivem Handeln hat ursprünglich im Markenrecht ihren Ausgangspunkt genommen33 und ist zwischenzeitlich auch vom für Deliktsrecht zuständigen 6. Zivilsenat dankbar aufgegriffen worden.34 Die in den Entscheidungen formelhaft verwendeten Worte, wonach „die Verpflichtung zur Unterlassung einer Handlung, durch die ein fortdauernder Streitfall geschaffen wurde, sich nicht in bloßem Nichtstun erschöpft“ bedeuten im Beispielsfall, dass die Unterlassungsschuldner sämtliche Vervielfältigungen nicht nur in ihrem eigenen Besitz, sondern auch im Besitz von Dritten, auf die sie einwirken können, herauszugeben bzw. zu vernichten haben. Dies mit der Begründung abzulehnen, dass nicht hinreichend bestimmbar sei, welche Daten und Nachrichten auf einem Datenträger „persönlich“ sind,35 ist daher unzulässig.
Das Risiko des Beseitigungsaufwandes hat der Gesetzgeber schon seit jeher dem auferlegt, der Rechte Dritter verletzt. Wie allerdings die Beseitigung der rechtswidrigen Anlagen in einer Gerichtsakte oder in den Akten anderer Prozessbeteiligter möglich, durchsetzbar und nachweisbar zu gestalten ist, zählt zu den vielen noch ungeklärten Fragen in diesem Themenkomplex.
5. Fazit
Der Streit um Persönlichkeitsrechte ist prozessual stets eine Herausforderung, denn nicht nur gilt es Richter inhaltlich zu überzeugen, was bei technologieintensiven Sachverhalten immer wieder aufs Neue eine Herausforderung darstellt. In Situationen mit Drittbeteiligung kommt hinzu, dass bereits das Ob und Wie einer Klageerhebung äußerst durchdacht sein muss und strategisch zu entscheiden ist.
Die Konstellation, in der sich Rechtsverletzer mit dem Äußerungsprivileg abschirmen wollen und die von der Rechtsverletzung Betroffenen am Ausgangsprozess nicht beteiligt sind, stellt dabei eine besondere Herausforderung dar. Um das Risiko eines unangenehm interferierenden Zweitprozesses und widersprüchlicher Entscheidungen vor unterschiedlichen Gerichten zu verringern, plädieren die Verfasser für die ausnahmsweise Zulassung der Drittwiderklage des Betroffenen, weil dies die einzige prozessuale Möglichkeit ist, die Rechte eines am Prozess unbeteiligten Dritten adäquat zu schützen und ihn ressourcenschonend und effektiv am Ausgangsprozess zu beteiligen.36
Die Zulassung der (isolierten) Drittwiderklage gebietet sich geradezu, wenn man es mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes ernst meint. Die Auflösung der Kollision mit der oben erwähnten zwingenden Zuweisung bestimmter Arten von Rechtsstreitigkeiten an die Fachgerichtsbarkeiten könnte ein Auftrag an den Gesetzgeber sein.
Sollten Betroffene sich für den einen oder anderen Weg entschieden haben, so ist zu beachten, dass das Verlangen auf Herausgabe oder Vernichtung des Datenträgers auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gesichert werden kann, z. B. indem statt der Herausgabe an den Antragsteller eine vorläufige Übergabe an einen Sequester gemäß § 848 ZPO beantragt wird. Hierbei ist in praktischer Hinsicht zu beachten, dass nicht jeder Gerichtsvollzieher auch als Sequester tätig werden kann, da dies teilweise einem Genehmigungsvorbehalt durch die Dienstaufsicht unterliegt. Deshalb bietet es sich an, entsprechende Maßnahmen vorab mit dem Gerichtsvollzieher sowie dessen Dienstaufsicht abzustimmen.
Der Beitrag erschien zuerst in der Druckausgabe 03/18 der PinG - Privacy in Germany Zeitschrift im Mai 2018.
Quellen
- BGH, Urt. v. 17. 12. 1991 – VI ZR 169/91, NJW 1992, 1314, 1315
- Grundlegend: Helle, GRUR 1982, 207 ff.
- Nachgebildet: OLG Dresden, Urt. v. 11. 07. 2013 – 4 U 22/13 (unveröffentlicht).
- BGH, Urt. v. 14. 06. 1977 – VI ZR 111/75, GRUR 1977, 745, 747 – Heimstättengemeinschaft.
- BGH, Urt. v. 17. 12. 1991 – VI ZR 169/91, NJW 1992, 1314, 1315; BGH, Urt. v. 11. 12. 2017 – VI ZR 14/07, VersR 2008, 357 Rn. 12; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 25. 09. 2006 – 1 BvR 1898/03, NJW-RR 2007, 840 f. m.w.N; BGH, Urt. v. 09. 04. 1987 – I ZR 44/85, WRP 1987, 627, 628 – Gegenangriff; BGH, Urt. v. 14. 11. 1972 – VI ZR 102/71, GRUR 1973, 550, 551; OLG Düsseldorf, Urt. v. 01. 07. 1987 – 15 U 49/87, NJW 1987, 2522; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort-und Bildberichterstattung, 5. Aufl., 2003, 10. Kap., Rn. 30.
- BGH, Urt. v. 16. 11. 2004 – VI ZR 298/03, NJW 2005, 279; BGH, Urt. v. 13. 10. 1987 – VI ZR 83/87, NJW 1988, 1016.
- BGH, Urt. v. 14. 11. 1972 – VI ZR 102/71, GRUR 1973, 550 – halbseiden.
- BVerfG, Urt. v. 23. 06. 1990 – 2 BvR 674/88, NJW 1991, 29.
- BGH, Urt. v. 28. 02. 2012 – VI ZR 79/11, NJW 2012, 1659; BGH, Urt. v. 16. 11. 2004 – VI ZR 298/03, VersR 2005, 277 f.
- BVerfG, Urt. v. 02. 07. 2013 – 1 BvR 1751/12, GRUR 2013, 1266.
- Instruktiv: Rosenkranz, JURA 2015, 783 ff.
- BGH, Urt. v. 11. 12. 2007 – VI ZR 14/07, GRUR-RR 2017, 200; diskussionswürdig zu Schmähkritik OLG Frankfurt, Urt. v. 27. 03. 2014 – 6 U 75/12, GRUR-RR 2014, 391 – Meisterbetrüger mit derzeit anhängiger Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH unter Az. I ZR 98/14.
- Vgl. BGH, Urt. v. 14. 11. 1972 – VI ZR 102/71, GRUR 1973, 550 – halbseiden; OLG Düsseldorf, Urt. v. 01. 07. 1987 – 15 U 49/87, NJW 1987, 2522; OLG Bamberg, Urt. v. 22. 07. 1997 – 7 U 11/97, NJW-RR 1999, 322; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, 10. Kap., Rn. 30.
- BGH, Urt. v. 17. 12. 1991 – VI ZR 169/91, NJW 1992, 1314, 1315.
- BGH, Urt. v. 13. 10. 1987 – VI ZR 83/87, NJW 1988, 1016; OLG Dresden, Urt. v. 11. 07. 2013 – 4 U 22/13 (unveröffentlicht).
- Vgl. BGH, Urt. v. 11. 12. 2007 – VI ZR 14/07, NJW 2008, 996 ff.
- So plakativ gefragt von Walter, JZ 1988, 304, 305.
- Grundlegend: BGH, Urt. v. 13. 10. 1987 – VI ZR 83/87, NJW 1988, 1016 ff.
- Vgl. BVerfG, Beschl. v. 31. 01. 1973 – 2 BvR 454/71, NJW 1973, 891.
- Vgl. OLG Hamm, Urt. v. 02. 04. 1987 – 4 U 296/86, NJW-RR 1988, 425.
- BAG, Urt. v. 22. 09. 2016 – 2 AZR 848/15, NJW 2017, 843 ff.
- Vgl. BGH, Urt. v. 05. 04. 2001 – VII ZR 135/00, NJW 2001, 2094; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 33 Rn. 19; a. A. Putzo/Hüßtegge, in: Thomas/Putzo, ZPO, 38. Aufl. 2017, § 33 Rn. 10 f.
- BGH, Urt. v. 08. 03. 1972 – VIII ZR 34/71, WM 1972, 784; Heinrich, in: Musielak, ZPO, 14. Aufl. 2017, § 33 Rn. 19; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. 2013, § 33 Rn. 45.
- BGH, Beschl. v. 22. 02. 2000 – X ARZ 522/99, NJW 2000, 1871.
- Vgl. BGH, Urt. v. 11. 12. 2007 – VI ZR 14/07; Hager, JA 2008, 387, 389.
- BGH, Urt. v. 13. 10. 1987 – VI ZR 83/87, NJW 1988, 1016 – Tonbandaufzeichnungen von Telefongesprächen.
- BVerfG, Beschl. v. 31. 01. 1973 – 2 BvR 454/71, BVerfGE 34, 238, 247; BGH, Urt. v. 13. 10. 1987 – VI ZR 83/87; Walter, JZ 1988, 304, 305.
- BGH, Urt. v. 18. 02. 2003 – XI ZR 165/02, NJW 2003, 1727.
- BGH, Beschl. v. 10. 02. 2011 – I ZB 63/09, NJW-RR 2011, 907.
- OLG München, Beschl. v. 29. 10. 1975 – 6 W 1975/75, GRUR 1976, 388 f.
- Vgl. BGH, Urt. v. 29. 01. 2001 – II ZR 331/00, NJW 2001, 1056.
- Koch, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 15. Aufl. 2015, § 2 Rn. 21.
- Instruktiv: Schmidt-Gaedke/Schmidt, GRUR-PRAX 2017, 343 ff.
- BGH, Urt. v. 14. 03. 2017 – VI ZR 721/15, GRUR 2017, 748 – Robinson Liste.
- OLG Dresden, Urt. v. 11. 07. 2013 – 4 U 22/13 (unveröffentlicht).
- Für die Widerklage des nicht am Erstprozessbeteiligten Dritten: Hager, JA 2008, 387, 389.
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