Jugendschutzfilter von Internet Service Providern (ISPs) werden wenig genutzt
Im Sommer 2013 vereinbarte die britische Medienaufsichtsbehörde Ofcom (Office of Communications) mit den vier größten Festnetzinternetanbietern Großbritanniens – BT, Sky, TalkTalk und Virgin Media –, Internetnutzern bis Ende 2013 voreingestellte Filterfunktionen zum Schutz vor kinder- und jugendgefährdenden Inhalten bereitzustellen. Die Suchergebnisse frei von illegalen Inhalten zu halten, sei eine „moralische Pflicht“ der Betreiber, betonte der britische Premierminister David Cameron in einer vielbeachteten Rede im Juli 2013.
Die HTML-basierte Funktion, deren Hauptaufgabe der Schutz vor pornografischen Inhalten ist, soll standardmäßig bei Neuinstallationen aktiviert sein. Insofern nicht gewünscht, muss sie vom Nutzer selbst deaktiviert werden („unavoidable choice“). Eine Untersuchung stellte nun jedoch heraus, dass die Briten wenig Interesse an den Schutzmaßnahmen haben: Die meisten surfen ohne Filter, gerade einmal jeder Siebte nutzt die Funktion. Obwohl der Filter sogenannten „Soft Porn“, also auch die in der britischen Yellow Press beliebten Nacktbilder nicht ausfiltert, wollen die Briten offenbar digitale Inhalte unzensiert genießen.
Kritik gab es insbesondere an Virgin Media. Der Internet Service Provider (ISP) habe angeblich nur 35 % seiner neuen Nutzer die Funktion angeboten. Das Unternehmen führt die hohe Ausfallquote auf seine „Installation Engineers“ zurück: viele von ihnen würden das Verfahren bei der Breitbandaktivierung beim Kunden vor Ort umgehen oder ignorieren.
Der britische „Porno-Filter“ musste sich jedoch bereits von Anfang an Kritik gefallen lassen, weil dadurch eine Infrastruktur zur Kommunikationsüberwachung aufgebaut werde. Kurz nach Bekanntwerden der Pläne wurde der Filter um die Möglichkeit erweitert, „extremistisches Material“ aus dem Netz auszufiltern („jihadi and terror recognition“). Dass hier ein Konflikt mit der Meinungs- und Informationsfreiheit der Europäischen Grundrechtecharta entstehen kann, liegt auf der Hand.
Doch auch die Wirksamkeit der Filtermaßnahmen selbst ist zweifelhaft. Jim Gamble, der Vorsitzende des Child Exploitation and Online Protection Centre (CEOP) meint, dass strafbare Inhalte heutzutage im sogenannten „Darknet“, also kryptografisch verschlüsselten Ad-hoc-Netzwerken, getauscht werden. Über einen Filter für die Google-Suchergebnisse würden Kriminelle nur lachen. Seiner Meinung nach liegt das Problem an anderer Stelle:
„We’ve got to attack the root cause, invest with new money, real investment in child protection teams, victim support and policing on the ground. Let’s create a real deterrent. Not a pop-up that paedophiles will laugh at.”
Die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) erkannte in der Vergangenheit mitunter bereits Filterprogramme als „Weg zu mehr Sicherheit im Internet für Kinder und Jugendliche“ an. Jedoch erwiesen sich diese Programme meist als völlig untauglich, wie unabhängige Tests feststellten. Die betreffenden Programme blockieren nicht nur tausende harmlose Websites mit Kochrezepten, bekannte Nachrichtenportale und die Seiten der Stiftung Warentest. Sie verhindern durch ihre Einstellungen auch den Aufruf von Webseiten über verschlüsselte Verbindungen (HTTPS) und schneiden den zu schützenden Personenkreis von sicheren Kommunikationsmöglichkeiten ab. Auch die Novelle 2014 zum Jugendmedienschutzstaatsvertrag wird nach Meinung von Experten die bisherigen Probleme der altersgerechten Darstellung von Inhalten nicht lösen, sondern verschärfen.
Ein Ausweg aus dem Dilemma könnte sein, Kindern und Jugendlichen frühzeitig in Elternhaus und Schule zu helfen, selbst hinreichende Medienkompetenz zu erwerben. Dies sieht auch der eben zitierte Andreas Fischer von der Niedersächsischen Landesmedienanstalt so:
„Pornofilter sind auch kein Ersatz für entsprechende Medienerziehung und eine vertrauensvolle Zuwendung der Eltern.“
Dem ist aus rechtlicher Sicht nichts hinzuzufügen.