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Was bedeutet das datenschutzrechtliche Medienprivileg für Journalisten?

Das Medienprivileg befreit die Presse unter Umständen von Einwilligungen der Betroffenen.
Das Medienprivileg befreit die Presse unter Umständen von Einwilligungen der Betroffenen.

1. Das Medienprivileg in der Praxis

Was wüssten wir von den Panama-Papers oder den Luxemburg-Leaks, wenn vor der Veröffentlichung jede betroffene Person eine Einwilligung zur Veröffentlichung ihrer personenbezogenen Daten abgeben müsste? Wahrscheinlich wären diese Finanzskandale auf Grund umfangreicher Datenschutzvorschriften nie publiziert worden.

Auch hätte der Vorfall (siehe Kasten) in Dresden vergangene Woche nicht durch ein Video auf Facebook publiziert werden können, wenn die Datenschutzbestimmungen vollumfänglich auch für die Medien gelten würden. [ top ]

Was geschah in Dresden?

Vergangene Woche fand in Dresden eine Pegida-Demonstration auf Grund eines Besuchs von Bundeskanzlerin Merkel statt. Deshalb waren vor Ort unter anderem auch Reporter von ZDF, die für die Sendung „frontal 21“ recherchieren sollten. Sie filmten Passanten, die auf dem Weg zum Pegida-Aufmarsch waren und mussten sich die mittlerweile üblichen Beschimpfungen gefallen lassen. Einer der Passanten forderte den Kameramann auf, das Filmen zu unterlassen und bezichtigte ihn aufgrund der Aufnahmen einer Straftat. Der Mann mit Deutschlandmütze, ein Tarifbeschäftigter des Sächsischen LKA, ging dabei direkt auf den Kameramann zu und machte sich dabei selbst zum Mittelpunkt des Geschehens. Die herbeigerufene Polizei nahm im Anschluss die Personalien der Journalisten auf, lies den Pegida-Anhänger aber scheinbar ohne weitere Konsequenzen gewähren. Das Team vom ZDF wurde dadurch ungefähr 45 Minuten an der Arbeit gehindert. Scheinbar verkannten zum einen der Demonstrant, aber auch die Polizisten das Medienprivileg, welches die Presse von Hinweispflichten und Einwilligungen der Betroffenen befreit und auch das Kunsturhebergesetz, das in § 23 Absatz 1 Nummer 1 und 3 Ausnahmen vom Recht am eigenen Bild (§ 22 KunstUrhG) explizit auf Teilnehmer von Veranstaltungen oder Aufmärsche und zeitgeschichtliche Ereignisse benennt.

Doch genau für solche und weitere Fälle wurde das sogenannte Medienprivileg geschaffen. Denn jeder erwartet, dass die Presse dazu in der Lage ist, persönliche Geschichten, Daten und Ereignisse von öffentlichem Interesse zu publizieren, auch wenn die betroffene Person vermutlich nicht in die Veröffentlichung einwilligen. [ top ]

2. Beschränkung des Datenschutzes auf einen Mindeststandard für die Presse

Das Medienprivileg ermöglicht es sowohl Rundfunkanstalten, Anbietern von journalistischen „Telemedien“ (Webseitenbetreibern), als auch der gedruckten Presse ihre journalistische Arbeit möglichst unbeeinflusst von datenschutzrechtlichen Pflichten und ohne „Schere im Kopf“ wahrnehmen können.

Durch die seit dem 25.05.2018 geltende Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) gibt es allerdings einige Änderungen, was die gesetzliche Aufhängung des Medienprivilegs angeht. Die DSGVO überlässt es mit Artikel 85 DSGVO den einzelnen Mitgliedsstaaten spezielle Vorschriften der Datenschutzbestimmungen für journalistische, künstlerische, wissenschaftliche und literarische Zwecke selbst zu regeln (sog. Öffnungsklausel). Deutschland hat dies zum einen im Rundfunkstaatsvertrag in den §§ 9c, 57 RStV und den einzelnen Pressegesetzen der Länder umgesetzt. Vorher war das Medienprivileg in § 41 BDSG geregelt.

 

3. Die Neuregelung des Medienprivilegs seit Mai 2018

a) Das Datengeheimnis

Zunächst wird in der Neufassung des Rundfunkstaatsvertrages die Verpflichtung der datenverarbeitenden Personen auf das Datengeheimnis (§ 53 BDSG) aufgeführt. Hiermit werden die Personen daran gehindert, personenbezogene Daten unbefugt zu verarbeiten oder weiterzugeben. Diese Verpflichtung besteht auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses fort. Danach werden die Anwendungsbereiche der DSGVO aufgeführt die für die Presse einschlägig sind.

b) Welche Pflichten gelten – trotz Medienprivileg – für Journalisten?

Neben dem Datengeheimnis gelten – trotz Medienprivileg – insbesondere die Kapitel I (Allgemeine Bestimmungen), Kapitel VIII (Rechtsbehelfe, Haftung, Sanktionen), Kapitel X (Rechtsakte) und Kapitel XI (Schlussbestimmungen) der Datenschutzgrundverordnung auch für Journalisten.

Während es sich bei den meisten dieser Kapitel um eher allgemeine Vorschriften handelt, ist das Kapitel VIII, welches sich auch mit den Themen Haftung und Sanktionen befasst, in der Praxis von besonderer Bedeutung.
Allerdings sieht das Medienprivileg auch für diesen Bereich verschiedene Ausnahmen vor: So soll ein Schadensersatz und Bußgelder nur im Ausnahmefall in Betracht kommen, nämlich dann, wenn es um Verstöße gegen das Datengeheimnis oder gegen die Datensicherheit geht.

Zudem sieht das Medienprivileg im Rundfunkstaatsvertrag als auch in vielen Pressegesetzen eine Möglichkeit vor, dem Aufsichtsregime der Datenschutzbehörden und damit auch etwaigen Bußgeldern komplett zu entgehen, nämlich dann, wenn man sich dem Pressekodex des Deutschen Presserates unterwirft (siehe dazu unter 3. f).

c) Worauf müssen Journalisten - wegen des Medienprivilegs - nicht achten?

Doch wo liegen eigentlich die größten Vorteile des Medienprivilegs? Welche datenschutzrechtlichen Pflichten der DSGVO gelten für Journalisten nicht?

Hier ist zuvorderst das Thema Einwilligung zu nennen: Handelt es sich um eine journalistische Verarbeitung personenbezogener Daten, muss der Journalist keine Einwilligung oder sonstige Berechtigung im Sinne der Art. 6, 7 DSGVO vorweisen können. Das heißt auch, dass er kein „berechtigtes Interesse“ im Sinne des Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO nachweisen muss.

Im Bereich der Bildnisse richtet sich Frage einer rechtmäßigen Verbreitung daher weiterhin in erster Linie nach den §§ 22, 23 KUG. In jedem anderen Bereich der personenbezogenen Datenverarbeitung kommt es weiterhin auf eine Abwägung der Interessen des Betroffenen (Allgemeines Persönlichkeitsrecht) mit dem öffentlichen Informationsinteresse (Pressefreiheit) an.

In dieser Form äußerte sich zuletzt auch das Oberlandesgericht Köln, als es sich kürzlich in einem Beschluss als erstes deutsches Gericht dazu verhalten musste, in welchem Verhältnis die DSGVO und das KUG zueinanderstehen. Im Ergebnis vertrat das Gericht die Auffassung, dass das KUG auch weiterhin anwendbar bleibt. Zumindest dann, wenn es um Fälle des Medienprivilegs geht, weil die Aufnahmen durch eine Rundfunkanstalt verbreitet wurden.

Eine weitere Erleichterung für Journalisten stellt der Umstand dar, dass die Vorschriften der DSGVO nicht gelten, welche datenverarbeitende Stellen dazu verpflichten, den von einer Datenverarbeitung Betroffenen vorab über sein Betroffenenrechte (Auskunft, Widerspruch, etc.) zu informieren. Anders als ein Auftragsfotograf oder privater Veranstalter bedarf es solcher Vorabhinweise im Rahmen einer journalistischen Tätigkeit also nicht. Mangels des Erfordernisses einer Einwilligung nach Art. 6, 7 DSGVO gibt es zudem auch grundsätzlich weniger Betroffenenrechte: so verfügt der Betroffene zum Beispiel über keine Widerspruchsmöglichkeit.

d) Im Journalismus gilt nur ein begrenzter Auskunftsanspruch

Auch im Bereich des Auskunftsanspruchs gibt es wesentliche Unterschiede: Während mit Art. 15 DSGVO grundsätzlich ein Anspruch des Betroffenen gegen die datenverarbeitende Stelle besteht, ob, wie und in welchem Umfang sie Daten erheben und verarbeiten, entfällt dieser Auskunftsanspruch für Unternehmen, die das Medienprivileg genießen.
Für diese ist vielmehr eine Sonderregelung in den §§ 9c Abs. 3, 57 Abs. 2 RStV vorgesehen, de einen weitaus begrenzteren Auskunftsanspruch vorsieht. Demnach kann eine Person Auskunft über die von ihr gespeicherten Daten nur verlangen, wenn dadurch ihr Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt wird. Doch selbst diese Auskunft kann, nach einer Interessenabwägung der schutzwürdigen Rechte, verweigert werden, wenn:

  1. aus den Daten auf Personen geschlossen werden kann, die bei der Erhebung oder Verbreitung mitgewirkt haben (Journalisten- und Quellenschutz).
  2. aus den Daten auf die Person geschlossen werden kann, die Mitteilungen, Beiträge oder Unterlagen für die Redaktion eingesendet hat (Quellenschutz).
  3. durch die Daten die journalistische Arbeit des Anbieters durch Ausforschen der Informationen behindert wird (Rechercheschutz).

e) Berichtigungsanspruch vergleichbar einer „internen Gegendarstellung“

Im Falle, dass sich aus der Auskunft ergibt, dass eine Redaktion unzutreffende personenbezogenen Daten des Betroffenen speichert, kann dieser eine unverzügliche Berichtigung der Daten verlangen oder eine angemessene eigene Darstellung hinzufügen (vergleichbar mit Gegendarstellung, die nur intern gespeichert wird). Die weitere Speicherung der Daten ist allerdings rechtmäßig, solange diese für die Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information oder der Wahrung berechtigter Interessen erforderlich ist.

f) „Rüge statt Bußgeld“: Die Verpflichtung der Journalisten unter den Pressekodex des Deutschen Presserates

Wie oben bereits erwähnt, sieht das Medienprivileg im Rundfunkstaatsvertrag als auch in vielen Pressegesetzen der Länder zudem eine Möglichkeit vor, dem Aufsichtsregime der Datenschutzbehörden und damit auch etwaigen Bußgeldern komplett zu entgehen, indem sich das journalistische Unternehmen dem Pressekodex des Deutschen Presserates unterwirft.

Dieser Pressekodex schützt die Medienunternehmen insofern vor den Haftungsregelungen der DSGVO, da er eigene pressespezifische Sanktionen enthält. („Rüge statt Bußgeld“). Jedoch können sich nur journalistisch-redaktionell strukturierte Medien dem Pressekodex verpflichten. Der Kodex sieht einen redaktionellen Datenschutz vor. [ top ]

 

Für wen gilt das Medienprivileg?
Für wen gilt das Medienprivileg?

4. Ab wann ist man ein Medium?

Eine der entscheidenden Fragen in der Praxis ist allerdings, wer sich auf das Medienprivileg berufen kann. Gilt es tatsächlich für jeden Journalisten?

Die §§ 9c, 57 RStV zählen hier auf: „die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten, das ZDF, das Deutschlandradio, private Rundfunkveranstalter oder Unternehmen und Hilfsunternehmen der Presse“.

Insofern sind einige Institutionen recht klar benannt, während andere Formulierungen („Unternehmen der Presse“) einen gewissen Interpretationsspielraum lassen. Muss man tatsächlich ein Unternehmen sein, um sich auf das Medienprivileg berufen zu können? Was ist mit Bloggern oder freien Journalisten?

Löst man sich vom Wortlaut des RStV und schaut in die Erwägungsgründe der Datenschutzgrundverordnung, heißt es dort (EG 153), dass Begriffe wie Journalismus, die sich auf diese Freiheit beziehen, weit ausgelegt werden müssen, um der Bedeutung des Rechts auf freie Meinungsäußerung in einer demokratischen Gesellschaft Rechnung zu tragen.

Es werden auch Telemedien von Rundfunkanbietern und Unternehmen sowie Hilfsunternehmen durch § 57 RStV erfasst. Hilfsunternehmen sind alle Unternehmen, die außerhalb des Verlages den Redaktionen zuarbeiten, beispielsweise Agenturen, Korrespondentenbüros oder Produktionsfirmen.

Die Grenzen dieser Sonderregelung für Medien sind dann erreicht, wenn es sich um nicht journalistische Meinungsäußerungen handelt, die Information nicht rein journalistischen Zwecken dient oder das Medienunternehmen mangelhaft mit personenbezogenen Daten umgeht. [ top ]

 

Gehören Blogger zur Presse?
Gehören Blogger zur Presse?

5. Blogger als Presse: Trifft es die Kleinsten am Härtesten?

Gleichwohl gibt es seit Inkrafttreten der neuen Rechtslage noch keine Rechtsprechung dazu, wo das Medienprivileg seine Grenzen hat und wie im Einzelfall mit einem Blogger oder gar Vertreter eines Vereines umzugehen ist, der auf einer Demonstration Fotos anfertigt, um diese auf seiner Webseite zu verbreiten.

Dass große Medienhäuser und Rundfunkanbieter unter den Schutzbereich des Medienrechts fallen, ist klar, aber was ist mit freien Journalisten oder Bloggern, die in keiner redaktioneller Struktur eingebunden sind oder Journalismus sogar nur als Nebentätigkeit betreiben?

Diese liegen in einer Grauzone des Medienprivilegs. Das nicht zuletzt deshalb, weil für die gedruckte Presse die Landespressegesetze von den jeweiligen Landesgesetzgebern erlassen werden und dies zum Teil zu inhaltlichen Unterschieden führt. So gelten in acht Ländern für freie Journalisten und Blogger ausdrücklich das Medienprivileg, in acht weiteren Ländern ist es vom Einzelfall abhängig. Die Landespressegesetzte sind also durchaus ein „Standortfaktor“ für Journalismus.

In allen Landesgesetzen gilt zunächst das Datengeheimnis. Der Pressekodex ist nicht in allen Ländern relevant, in Sachsen zum Beispiel spielt er keine Rolle, während er in Sachsen-Anhalt einen Haftungsausschluss nach der DSGVO zur Folge hat. Welches Landesgesetz Anwendung findet hängt vom Erscheinungsort, also der im Impressum angegebene Ort, des Presseerzeugnisses ab, auch wenn Verlagsort und Erscheinungsort auseinanderfallen.

Kann sich ein journalistisch Tätiger nicht auf das Medienprivileg berufen und findet seine Datenerarbeitung nicht lediglich im persönlichen oder familiären Bereich statt, gilt die DSGVO vollumfänglich. [ top ]

 

6. Medienprivileg - Besonderheiten in den Bundesländern

Bundesland Norm Pressekodex relevant Restriktive Auslegung
Baden-Würtemberg § 12 PresseG BW Nein Ja
Bayern § 11 BayPrG Nein Nein
Berlin § 19 BlnDSG Nein Nein
Brandenburg § 16 a BbgPG Nein Nein
Bremen § PresseG Bremen Nein Ja
Hamburg § 37 Medienstaatsvertrag HSH Ja Nein
Hessen § 10 HPressG Nein Nein
Mecklenburg-Vorpommern § 18 a LPrG M-V Nein Ja
Niedersachsen § 19 NPresseG Nein Ja
Nordrhein-Westfalen § 12 Landespressegesetz NRW Nein Nein
Rheinland-Pfalz § 12 LMG Ja Nein
Saarland § 11 SMG Ja Nein
Sachsen § 11 a SächsPresseG Nein Ja
Sachsen-Anhalt § 10 a Presse G ST Ja Ja
Schleswig-Holstein § 10 LPresseG SH Ja Ja
Thüringen § 11 a TPG Nein Nein

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Medienprivileg, Datenschutz & Journalismus

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