Neues Urteil: Was sagt der BGH zur Linkhaftung im Urheberrecht?
Inhaltsverzeichnis
- Die BGH-Entscheidung „Vorschaubilder III“
- Google haftet nicht für Suchergebnisse der Bildersuche
- 2008 vs. 2017: Gilt die BGH-Entscheidung auch für die heutige Google-Bildersuche?
- Fast unbemerkt: BGH äußert sich zum Thema Linkhaftung im Urheberrecht
- Die Hoffnung stirbt zuletzt: Schränkt der BGH die Linkhaftung ein?
Die BGH-Entscheidung „Vorschaubilder III“
Am 21. September 2017 verkündete der Bundesgerichtshof eine Entscheidung, in der es auf den ersten Blick nur um die mäßig relevante Frage ging, ob Suchmaschinenbetreiber wie Google für Urheberrechtsverletzungen haften, die im Rahmen der Google-Bildersuche als Vorschaubilder angezeigt werden (BGH v. 21.09.2017 – I ZR 11/16 – “Vorschaubilder III”). Zugrunde lag der Entscheidung ein Fall, bei dem sich die Klägerin gegen die Anzeige von Vorschaubildern über die Google-Bildersuchfunktion gewandt hatte. Es handelte sich um verkleinerte Versionen von Fotografien, welche die Klägerin auf ihrer eigenen Website passwortgeschützt gegen ein Entgelt zum Download anbot und die ohne ihre Erlaubnis auf andere Internetseiten hochgeladen worden waren. Die Klage auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz scheiterte nunmehr vor dem BGH.
Google haftet nicht für Suchergebnisse der Bildersuche
Hauptaussage der neuen BGH-Entscheidung ist: Das Anzeigen von kleinen Vorschaubildern durch Internet-Suchdienste wie Google ist, unabhängig von der Rechtmäßigkeit der verlinkten Inhalte, grundsätzlich keine Urheberrechtsverletzung. Suchmaschinen sind für das Internet zu wichtig, als dass eine Einschränkung ihrer Funktion durch eine entsprechende Nachprüfungspflicht hingenommen werden könnte. Das soll auch dann gelten, wenn die betroffenen Inhalte ursprünglich passwortgeschützt und nur für zahlende Kunden zugänglich waren. Eine Urheberrechtsverletzung liegt nur dann vor, wenn dem Linkanbieter Vorsatz oder Fahrlässigkeit nachgewiesen werden kann.
Der BGH nimmt aber nicht nur solche Links von der Haftung aus, die von Suchmaschinen selbst im Rahmen der Bildersuche gesetzt werden, sondern auch „Links zu Suchmaschinenergebnissen“. Insofern liegt in seinem Urteil auch eine Einschränkung der Linkhaftung für jedermann.
2008 vs. 2017: Gilt die BGH-Entscheidung auch für die heutige Google-Bildersuche?
Ob diese Entscheidung allerdings auch noch Auswirkungen auf die heute von Google geübte Praxis hat, darf bezweifelt werden, denn die Google-Bildersuche funktioniert mittlerweile schon wieder ganz anders. Die Entscheidung der Gerichte wurde auf Basis der Google-Bildersuche getroffen, wie sie im Jahr 2008 funktionierte. Statt über sogenannte „Thumbnails“ (stark verkleinerte Vorschaubilder) auf eine neue Seite weiterzuleiten, zeigt Google die gesuchten Bilder aber heute, im Jahr 2017, direkt auf der Seite der Suchmaschine in Originalgröße an. Ob dies für die Rechtsprechung einen Unterschied macht, bleibt abzuwarten. Im Grundsatz werden wahrscheinlich die für das Framing entwickelten Kriterien heranzuziehen sein.
Fast unbemerkt: BGH äußert sich zum Thema Linkhaftung im Urheberrecht
Was in der Berichterstattung über die Vorschaubilder III-Entscheidung fast unbemerkt blieb, ist, auf welche Rechtsgrundsätze der BGH sich dabei stützte: Erstmals musste er zur Urteilsbegründung die im September 2016 vom Europäischen Gerichtshof entwickelten neuen Grundsätze zur Linkhaftung im Urheberrecht heranziehen. Die hatte auch das Landgericht Hamburg im November 2016 seiner Entscheidung zugrunde gelegt, was Ende 2016 für heftige Diskussionen in Deutschland sorgte. Wir erinnern uns: Schon allein das Setzen eines Links kann nach diesen Entscheidungen eine Urheberrechtsverletzung sein, wenn auf der verlinkten Website ein urheberrechtlich geschütztes Werk ohne die Erlaubnis des Urhebers veröffentlicht ist. Einzelheiten hierzu in unserem damaligen Blogbeitrag.
Die Hoffnung stirbt zuletzt: Schränkt der BGH die Linkhaftung ein?
Der BGH äußerte in seiner Pressemitteilung zum Urteil:
„[…] Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union besteht zwar bei Links, die mit Gewinnerzielungsabsicht auf Internetseiten mit rechtswidrig eingestellten Werken gesetzt worden sind, eine widerlegliche Vermutung, dass sie in Kenntnis der fehlenden Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers zur Veröffentlichung der Werke im Internet gesetzt worden sind. Diese Bewertung beruht auf der Annahme, dass von demjenigen, der Links mit Gewinnerzielungsabsicht setzt, erwartet werden kann, dass er sich vor der öffentlichen Wiedergabe vergewissert, dass die Werke auf der verlinkten Internetseite nicht unbefugt veröffentlicht worden sind. Diese Vermutung gilt wegen der besonderen Bedeutung von Internetsuchdiensten für die Funktionsfähigkeit des Internets jedoch nicht für Suchmaschinen und für Links, die zu einer Suchmaschine gesetzt werden.[…]“
Damit macht der BGH von den Grundsätzen der strengen Linkhaftung zwar eine Ausnahme für Suchmaschinenbetreiber und –Nutzer; er distanziert sich aber nicht von den vom EuGH aufgestellten und vom LG Hamburg konkretisierten Haftungskriterien. Bedeutet das neue Urteil also, dass auch der BGH – und damit erstmals die deutsche höchstrichterliche Rechtsprechung – diese neuen Haftungsgrundsätze befürwortet?
Es gilt zunächst, die Urteilsbegründung abzuwarten. Wünschenswert und möglich wäre es jedenfalls, dass der BGH darin auch abseits von Suchmaschinen die Haftung für Hyperlinks etwas „eindampft“. Das könnte er zum Beispiel, indem er die Prüfungspflichten des Linksetzenden entsprechend konkretisiert und klare Vorgaben macht, was der Linksetzende zu leisten hat und was nicht. Eine andere Möglichkeit wäre, das Merkmal der „Gewinnerzielungsabsicht“ anders auszulegen: Das Landgericht Hamburg bezog das Merkmal der „Gewinnerzielungsabsicht“ auf die ganze Website. Gibt es also irgendwo auf der Website die Absicht, Geld verdienen zu wollen, wird die Gewinnerzielungsabsicht und damit die Linkhaftung bejaht. Wünschenswert wäre es daher, wenn in puncto „Gewinnerzielungsabsicht“ nicht auf die Website im Ganzen, sondern nur auf den jeweils konkreten Link geschaut wird, also darauf, ob es sich beispielsweise um einen Affiliate-Link handelt. Dann würde die Linkhaftung weitaus eingeschränkter gelten als bisher angenommen.