Verdeckte Generaleinwilligung - BGH konkretisiert Anforderungen an die wirksame Einwilligung bei E-Mail-Werbung und Aufnahme von E-Mailadressen in Sperrlisten

Inhaltsverzeichnis

Der Bundesgerichtshof hat in einer aktuellen Entscheidung aus dem März 2017 (Urteil vom 14.03.2017 – Az.: VI ZR 721/15) die Anforderungen an den wirksamen Versand von E-Mail-Werbung ("Newsletter-Marketing") konkretisiert.

Sachverhalt:

Der Kläger, ein Handelsvertreter, erhielt über seine geschäftlich genutzte E-Mail-Adresse xyz@gmx.de mehrfach von der Beklagten, einem Verlag, unaufgefordert Werbe-E-Mails. Der Beklagte hatte zwei Werbepartner beauftragt, Werbe-E-Mails zu versenden. Die E-Mail-Adresse des Klägers hatten diese Werbepartner von einem Anbieter, der mit Freeware-Programmen handelt, erhalten. Auf dessen Internetseite hatte der Kläger nämlich ein Programm heruntergeladen und dabei die Nutzungsbedingungen des Anbieters ("AGB") bestätigt. Auf diese Weise habe er sein Einverständnis für den Empfang von Werbung per E-Mail von bestimmten "Sponsoren", insgesamt 25 Unternehmen, erteilt. Der Kläger hatte die Beklagte jedoch abgemahnt, das Unterlassen der weiteren Zusendung von Werbung gefordert und es zudem untersagt, seine E-Mail-Adresse weiter zu nutzen; letzteres sollte auch für das Weitergeben der E-Mail-Adresse an die genannten Werbepartner zu Sperrzwecken ("Blacklisting") gelten.

Nachdem das Gericht keine Ansprpüche aus den Sondertatbeständen der § 7 Abs. 1 und Abs. 2 Nr.  3 UWG annehmen konnte, da der Kläger nicht nach § 8 Abs. 3 UWG zur Geltendmachung dieser Anspüche berechtigt war, sah es in der Zusendung von Werbe-E-Mails an eine geschäftlich genutzte E-Mail-Adresse ohne wirksame Einwilligung einen rechtswidrigen

Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ("Spamming")

nach § 1004, Abs. 1 S. 2, § 823 Abs. 1, § 831 BGB unter Einbeziehung der Maßstäbe des § 7 Absatz 3 UWG.

Gegenstand des Schutzes eines eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes ist die Verhinderung des Eindringens des Werbenden in die geschäftliche Sphäre, insbesondere in die Ungestörtheit der Betriebsabläufe, anderer Marktteilnehmer.

Von einem solchen Eindringen ist auszugehen, wenn der nicht einwilligende Werbemailingempfänger, die unerbetene Werbung einzeln sichten und deren Zusendung widersprechen muss, da hierdurch eine nicht unerhebliche Belästigung  anzunehmen ist.

Wirksame Einwilligung in den Newsletter-Empfang?

Die Richtlinie 1995/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr („Datenschutzrichtlinie“) definiert in Artikel 2 Buchstabe h die Einwilligung als

„jede Willensbekundung, die ohne Zwang für den konkreten Fall und in Kenntnis der Sachlage erfolgt“

Welche Anforderungen sind also an eine wirksame Einwilligung zu stellen?

Die Einwilligung wird in Kenntnis der Sachlage erteilt, wenn der Verbraucher weiß, dass seine Erklärung ein Einverständnis darstellt und worauf sie sich bezieht. Also wenn klar ist,

  • welche konkreten Produkte oder Dienstleistungen
  • durch welches konkrete Unternehmen

beworben werden sollen.

Dies gilt auch für Werbemailings, da § 7 Abs. 2 Nr.  3 UWG ebenfalls eine vorherige ausdrückliche Einwilligung fordert.

Vorliegend war in § 4 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Werbeeinverständnis), denen der Kläger beim Download zugestimmt hatte, eine Verlinkung zu einer Sponsorenliste eingerichtet, welche auch den versendenden Werbepartner aufzählte.

Diese Geschäftsbedingungen sind als vorformulierten Einwilligungserklärung "Allgemeine Geschäftsbedingungen" im Sinne des § 305 Abs. 1 BGB und unterliegen dem scharfen Prüfungsmaßstab des deutschen AGB-Rechts.

 

Einwilligungserklärung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen

Dem BGH zufolge kann grundsätzlich eine Einwilligungserklärung auch innerhalb Allgemeiner Geschäftsbedingungen wirksam erteilt werden. In dem geschilderten konkreten Fall ist diese allerdings nach § 307 Abs. 1 S.  1 und 2, Abs. 3 S.  2 BGB als unangemessene Benachteiligung des Kläger unwirksam, denn sie verstößt gegen das Transparenzgebot.

Die Klausel sei, so der BGH, intransparent, weil zum einen Zweifel daran bestehen, dass die Liste der Sponsoren abschließend und ohne Erweiterungsmöglichkeit feststeht, also die jeweiligen Unternehmen und Werbepartner konkret benennt.

Zum anderen bleibe offen, welche Produkte und Dienstleistungen diese Sponsoren bewerben. Aus deren Firmierung allein kann nicht auf die zur zukünftigen Bewerbung anstehenden Produkte geschlossen werden, da deren Umfang und Zusammensetzung wechseln oder erweitert werden könne.

Sofern es sich bei den Sponsoren auch um Marketingunternehmen handelt, die selbst für Kunden Werbekampagnen entwerfen und durchführen, hält der BGH den Kreis der beworbenen Unternehmen und Produkte gänzlich unübersichtlich: eine verdeckte Generaleinwilligung liege vor.

Auch nach Abwägung der widerstreitenden Interessen von Kläger und Beklagtem im Rahmes des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb kommt der BGH zu dem Fazit, dass die Interessen des Klägers vorzugswürdig sind:

„Der Schutz der geschäftlichen Sphäre, insbesondere die Ungestörtheit der Betriebsabläufe ist vorrangig gegenüber dem wirtschaftlichen Gewinnstreben. Angesichts der Vielfalt der Werbemethoden ist es nicht erforderlich, mit Werbung in die internen Betriebsabläufe einzudringen.„

Eine auf diesem Weg erlangte Einwilligung zum Empfang von Werbemailings genügt auch den Anforderungen des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG nicht, denn eine Einwilligung muss für den konkreten Fall erteilt werden. Das heißt, aus ihr muss klar hervorgehen, welche konkreten Unternehmen für welche konkreten Produkte werben dürfen.

„Eine produktoffene Generaleinwilligung genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht."

Ergebnis: Ohne wirksame Einwilligung ist eine nicht unerhebliche Belästigung durch E-Mailwerbung und damit ein Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb anzunehmen, das Mailing damit unzulässig.

Exkurs zum neuen europäischen Datenschutzrecht: Voraussetzungen für eine wirksame Einwilligung nach § 7 Abs. 2 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO)

Die DSGVO konkretisiert die Anforderungen an einer innerhalb einer AGB abgegebenen Einwilligung dahingehend, dass diese leicht zugänglich gestaltet, sowie in einer klaren und einfachen Sprache abgefasst sein muss: 

„Erfolgt die Einwilligung der betroffenen Person durch eine schriftliche Erklärung, die noch andere Sachverhalte betrifft, so muss das Ersuchen um Einwilligung in verständlicher und leicht zugänglicher Form in einer klaren und einfachen Sprache so erfolgen, dass es von den anderen Sachverhalten klar zu unterscheiden ist. Teile der Erklärung sind dann nicht verbindlich, wenn sie einen Verstoß gegen diese Verordnung darstellen.“

Diese etwas umständliche Formulierung sagt im Kern nichts anderes aus, als ihr Pendant im Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) (§ 4a Abs. 1 S. 4): Werden neben der Einwilligung noch andere Erklärungen abgegeben, so muss die Einwilligung für den Leser deutlich von den anderen Erklärungen abzugrenzen sein, so dass der Betroffene erkennt, was er da tut (in was er einwilligt.) Die Rechtsprechung wird künftig noch die Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung weiter konkretisieren und definieren, ob "leicht zugänglich" noch weitere Voraussetzungen zu entnehmen sind, wie zum Beispiel einen Höchstzahl von "Swipes" auf Mobilgeräten oder "Scrolls" auf Desktopwebseiten.

Nutzung von E-Mail-Adressen gegen den Willen des Inhabers zu Lösch- oder Sperrzwecken

Zusammenfassung:

E-Mail-Adressen von Betroffenen dürfen gespeichert und an Werbepartner ("Beauftragte") weitergegeben werden, wenn der Unterlassungsschuldner nur auf diese Weise dem Unterlassungsanspruch entsprechen kann. Der Unterlassungsgläubiger kann sich hiergegen nicht auf ein allgemeines Geheimhaltungsinteresse berufen und muss die Datenspeicherung und Datenübermittlung zu diesem Zweck dulden.

Im Detail:

Rechtlich spannend ist die Frage, ob die Mailadresse des Klägers wenigstens für die Zwecke des Führens von Sperrlisten gespeichert werden darf. Ein solches "Blacklisting" gilt seit jeher als datenschutzrechtliches Paradoxon.

Die Beklagte hat zumindest ein berechtigtes Interesse aus dem bestehenden Unterlassungsanspruch und der sich daraus ergebenden Verpflichtung zur Folgenbeseitigung, um die E-Mailadresse des Klägers an ihre Werbepartner zum Zwecke der Aufnahme in eine Blacklist zu verwirklichen. Dieses Vorgehen erscheint denknotwendig.

Allerdings ist an dieser Stelle scharf zwischen potenziellen und künftigen E-Mail-Adressen des Klägers und seiner einstmals mit Werbung beschickten E-Mail-Adresse zu unterscheiden.

Hinsichtlich potenzieller E-Mail-Adressen kann die Aufnahme der ersten E-Mail-Adresse auf eine Sperrliste schon keine Abhilfe schaffen. Vielmehr ist die Beklagte verpflichtet, zukünftig rechtswirksame Einwilligungen einzuholen und dies auch für seine Werbepartner sicherzustellen.

Wegen der bereits bekannten E-Mailadresse kommt § 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG zur Anwendung.

Nach dieser Vorschrift ist das Erheben, Speichern, Verändern oder Übermitteln personenbezogener Daten oder ihre Nutzung als Mittel für die Erfüllung eigener Geschäftszwecke zulässig, soweit es zur Wahrung berechtigter Interessen der verantwortlichen Stelle erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Verarbeitung oder Nutzung überwiegt.

Dabei kann die Interessenabwägung grundsätzlich auch dann zugunsten der verantwortlichen Stelle ausfallen, wenn der Betroffene der Datenverarbeitung ausdrücklich widersprochen hat.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH erschöpft sich die Verpflichtung zur Unterlassung einer Handlung, durch die ein fortdauernder Störungszustand geschaffen wurde, nämlich nicht in bloßem Nichtstun, sondern erfordert ein aktives Beenden der Gefahrenlage - auch durch das Einwirken auf Dritte. Vielmehr umfasst sie auch die Vornahme möglicher und zumutbarer Handlungen zur Beseitigung der Störungsquelle, wenn allein dadurch dem Unterlassungsgebot Folge geleistet werden kann:

„Die Verpflichtung zur Unterlassung einer Handlung durch die ein fortdauernder Streitfall geschaffen wurde, erschöpft sich nicht in bloßem Nichtstun“

Die Beklagte ist also berechtigt und verpflichtet, die E-Mailadresse zur Erfüllung der Unterlassungsverpflichtung an die Werbeunternehmen einmalig weiterzuleiten, damit diese auf eine Sperrliste ("Blacklist") aufgenommen werden kann.

Diese sich aus dem Unterlassungsanspruch ergebenden Verpflichtung zur Folgenbeseitigung ist auch vorzugswürdig im Verhältnis zum allgemeinen Geheimhaltungsinteresse des Klägers. 

Fazit in einem Satz: Die Nutzung von E-Mail-Adressen ist gegen den Willen des Inhabers zu Lösch- oder Sperrzwecken zulässig, wenn dies der einzige Weg ist, einem Unterlassungsanspruch des Betroffenen Folge zu leisten.

Praxistipp für Newslettermarketing und Blacklisting:

Anforderungen gelten auch für bereits eingeholte Einwilligungserklärungen | Accountability

Grundsätzlich gilt die Rechtsprechung des BGH nicht nur für neu abzugebende Einwilligungserklärungen. Auch bereits eingeholte ("antike") Einwilligungen sowie Ihre derzeit verwendeten vorformulierten Einwilligungserklärungen ("Newsletter-AGB") müssen die vom Bundesgerichtshof konkretisierten Anforderungen an eine wirksame Werbeeinwilligung erfüllen. Dies betrifft auch die Konformität nach dem neuen europäischen Datenschutzrecht, der Datenschutzgrundverordnung.

Als Werbender sollten Sie daher schnellstens überprüfen, ob die Ihnen vorliegenden Einwilligungserklärungen wirksam sind, um Unterlassungsansprüche zu verhindern. Ansonsten können sich aufgrund der vom BGH ausdrücklich betonten Beseitigungspflichten ("Einwirken auf Dritte") unangenehme Prozessrisiken entwickeln.

Generell sollten Werbende exakt wissen, was sie wann und wo über wen gespeichert haben und an wen sie diese Daten weitergegeben haben ("Accountability"). Nur so kann verhindert werden, dass sich gelegentliche Fehltritte im Online-Marketing nicht zu einem Alptraum für das werbende Unternehmen entwickeln.

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