Meine Freunde sind nicht deine Freunde: Abwerbeverbote für Kundenkontakte auf Social Media-Kanälen
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Mit dem Mitarbeiter gehen auch die Firmenkontakte: Entscheidung im Fall Kravitz v. Phonedog
Spätestens seit dem Prozess von Noah Kravitz gegen den amerikanischen Branchendienst Phonedog, der 2011 in den USA und auch in Deutschland für Schlagzeilen sorgte, findet das Thema in zahlreichen Unternehmen immer mehr Beachtung. Das wundert kaum, schließlich ist es keine Seltenheit, dass sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter während ihres Arbeitsverhältnisses mit Kunden via Xing oder LinkedIn vernetzen.
Rückblick: Der amerikanische Branchendienst Phonedog verklagte einen ehemaligen Angestellten auf Schadensersatz in Höhe von 340.000 Dollar, da er während seiner Anstellung rund 17.000 Follower angesammelt und nach seiner Kündigung „mitgenommen“ hatte. Phonedog sah die Twitter-Follower als Kundendatenbank, Kravitz jedoch beharrte darauf, das Unternehmen hätte ihm gestattet, den Account unter neuem Namen fortzuführen und gelegentlich im Interesse der Firma zu twittern. Kravitz und Phonedog erreichten im Dezember 2012 eine Einigung, deren Ergebnis aber vertraulich blieb.
Ob man durch das gängige Instrument des vertraglich vereinbarten Abwerbeverbotes dazu verpflichtet werden kann, den Kontakt zu ehemaligen Geschäftspartnern und Kunden zu unterlassen und wie viel virtuelle Freundschaft nach dem Jobwechsel noch erlaubt ist, hatte kürzlich das Bundesbezirksgericht in Idaho (District Court of Idaho, USA) zu entscheiden.
„Thought of you immediately!! xoxo (kisses and hugs).“
Dieser Satz wurde der Beklagten College Herrick, dank der Entscheidung des Gerichts, nicht zum Verhängnis. Herrick war die ehemalige Mitarbeiterin eines Kartoffeln und Zwiebeln vertreibenden Händlers, Potandon Produce, LLC. Dieser reichte Ende vergangenen Jahres Klage vor dem District Court Idaho ein. Der Vorwurf: Herrick habe mit ihrem Facebook-Post an den Geschäftsführer eines Handelspartners von Potandon gegen ein nachvertragliches Abwerbeverbot verstoßen. Die zu Beginn des Arbeitsverhältnisses getroffene Vereinbarung lautete wie folgt:
During Employee's employment at Potandon and for a period of eighteen (18) months after the termination of that employment (for any reason, whether voluntary or involuntary), Employee shall not, with respect to any business in competition with Potandon's Business, for herself or on behalf of any person or entity, directly or indirectly:
4.1 Attempt, assist or actually solicit, divert, take away, or advertise to any customer, co-packer, or other supplier of Potandon or a Potandon affiliate, for whom Employee performed services, or with whom Employee developed a relationship, while working on behalf of Potandon or a Potandon affiliate during her employment with Potandon.
Kurzum soll gemäß der Vereinbarung jeder Versuch, ehemalige Lieferanten oder Vertragspartner für die Konkurrenz anzuwerben, vertragswidrig sein. Nach Auffassung des Gerichts war Herrick’s Verhalten aber nicht als vertragswidrig einzustufen. Zwar würde die Vereinbarung ausdrücklich das Abwerben von Kunden verbieten, jedoch wird nach Vertragsauslegung nicht jegliche Art der Kontaktaufnahme ausgeschlossen. Auch die Konversationen mit ehemaligen Partnern über die Arbeitszustände bei Potandon sowie die direkte Frage nach einer E-Mail-Adresse bei einem der Lieferanten konnten das Gericht nicht von einer vorliegenden Abwerbung überzeugen. Es könne nicht geschlussfolgert werden, dass der Austausch der Kontaktdaten zum Zwecke der Abwerbung stattgefunden habe. Was den Rest der Konversationen betrifft, stellte das Gericht fest:
„ There was no discussion of the sale of fresh potatoes and onions.“
Weil kein Insiderwissen, keine Geschäfts- oder Firmengeheimnisse preisgegeben wurden und die Konversationen offenbar auf privater Ebene stattgefunden haben, sah das Gericht somit keinen Anlass zur Verurteilung und lehnte die Klage ab.
Gericht sieht Verstoß gegen Abwerbeverbot bestätigt: Mobile Mini, Inc. versus Vevea
Anders lag der Fall Mobile Mini, Inc. v. Vevea, der dem District Court Minnesota vorgelegt wurde.
Liz Vevea verließ ihren Arbeitgeber Mobile Mini und fand beim branchengleichen Wettbewerber Citi-Cargo eine neue Anstellung. Noch bevor das bei Mobile Mini vertraglich vereinbarte Abwerbeverbot erloschen war, updatete sie beim Karrierenetzwerk LinkedIn ihren Status und informierte ihre 500+ Kontakte (darunter auch Kunden des alten Arbeitgebers) über den Stellenwechsel. Zusätzlich veröffentlichte sie folgende Postings auf ihrem Account:
"I’m excited to have joined the Citi-Cargo Sales Team! We lease and sell clean, safe, and solid storage containers and offices. We are locally owned and operated, with local live voice answers. We offer same day delivery to the Metro, and have consistent rental rates with true monthly billing. Give me a call today for a quote, XXX-XXX-XXXX."
"Call me today for a storage container quote from the cleanest, newest, safest and best container fleet in the State of Minnesota. Let’s connect! XXX-XXX-XXXX"
Das Gericht gab dem Antrag auf eine einstweilige Verfügung statt und ordnete an, alle Beiträge, die Produkte oder Dienstleistungen des neuen Arbeitgebers bewerben, zu entfernen. Dem Einwand der Verteidigung, bei den Postings handle es sich lediglich um Statusupdates, begegnete das Gericht folgendermaßen:
„Instead of merely announcing a job change, the language of the posts here demonstrates that Vevea's purpose was to entice members of Vevea's network to call her for the purpose of making sales in her new position at Citi-Cargo.“
Außerdem wurde der Beklagten untersagt, ähnliche Postings zu erstellen und sie auf Social Media-Plattformen zu veröffentlichen, solange die vertraglich geregelte Laufzeit des Abwerbeverbotes von zwölf Monaten nicht abgelaufen ist.
Der Spagat zwischen vertraglichen Abwerbeverboten und der Nutzung sozialer Netzwerke
Erneut bringt Social Media die Rechtssprechung aus dem Gleichgewicht - der Spagat zwischen vertraglichen Abwerbeverboten und sozialen Netzwerken funktioniert scheinbar nicht ohne Widerspruch: Herrschte beispielsweise Einigkeit über die Vertragswidrigkeit von E-Mail-Nachrichten an ehemalige Kunden über den Wechsel der Arbeitsstätte, so wird die Benachrichtigung über den Jobwechsel an die im alten Job erworbenen Kontakte (500+) bei LinkedIn als nicht vertragsverletzend eingestuft. Ist ein ehemaliger Mitarbeiter in sozialen Netzwerken gut vernetzt und hat die Beschäftigung beim früheren Arbeitgeber maßgeblich dazu beigetragen, kann das Risiko der nachträglichen Abwerbung für den Arbeitgeber erhöht sein. Nicht selten können damit große wirtschaftliche Einbußen für das Unternehmen verbunden sein – insbesondere dann, wenn sich wichtige Partner und Kunden abwenden.
Unser Praxistipp: Es ist ratsam, die vertraglichen Formulierungen anzupassen und zu konkretisieren. Gegebenenfalls könnten unerwünschte Nutzungen von bestimmten Netzwerken ausgeschlossen, oder als gegenläufige Maßnahme offizielle Mitarbeiter-Accounts angeboten werden, die auch als solche gekennzeichnet und nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses wieder gelöscht werden.