Abmahnungen im Influencer-Marketing nach Urteil des LG Berlin
Theresa Heilmann, Marketing & Communications Manager, Spirit Legal LLP: Herzlich willkommen zur ersten Terrassenedition von Evil Legal, unserer neuen Reihe „BRANDAKTUELL“ und heute geht es mit meinem Kollegen Dr. Jonas Kahl um ein Urteil, das das Landgericht Berlin verkündet hat und das – zugegebenermaßen – zahlreiche Blogger verunsichert, aber auch sehr verärgert. Im konkreten Fall ging es um eine Instagramerin, die einen Post verfasst hat und in diesem Post eine Marke verlinkte, diesen Post jedoch nicht als Werbung gekennzeichnet hat. Deshalb wurde sie jetzt abgemahnt. Das Brisante an dem Fall ist, dass sie diese Produkte, die sie dort beworben hat, privat gekauft hat. Muss nun jeder Post gekennzeichnet werden?
Dr. Jonas Kahl, Rechtsanwalt, Spirit Legal LLP: Ja das Landgericht Berlin hat sie dennoch zur Unterlassung verurteilt und hat dabei insbesondere als Argument angeführt, dass das halt kein privater Account ist, den sie da genutzt hat, sondern dass das ein Instagram-Account ist, den sie ansonsten auch für die kommerzielle Kommunikation nutzt. Also das heißt, tatsächlich für bezahlte Kooperationen mit irgendwelchen Unternehmen und Marken. Da hat man gesagt, man muss da die Gesamtumstände berücksichtigen und anschauen, wie diese Influencerin ansonsten agiert und die hat eben eine Agentur als Kooperationspartner, die das alles managt und sogar eine Managerin dazu. Und wenn man die Gesamtumstände berücksichtigt, kommt man dann eben zu dem Ergebnis, so das Landgericht Berlin, dass es sich hier um eine gewerbliche und keine rein private Kommunikation handelt und damit ist man dann automatisch eben auch im Wettbewerbsrecht.
Theresa Heilmann: Ja gut, aber das landläufige Verständnis von Werbung ist doch tatsächlich: Ein Unternehmen beauftragt meinetwegen einen Influencer und sagt, ich möchte, dass du mein Produkt promotest und dafür wirst du bezahlt. Warum sieht das das Landgericht Berlin anders?
Dr. Jonas Kahl: Also in dem Fall ging es gar nicht um den klassischen Werbebegriff, sondern Hintergrund ist der Paragraph 5 Absatz 6 des Gesetzes gegen den Unlautereren Wettbewerb und dort ist die sogenannte „Irreführung durch Unterlassen“ geregelt. Also da wird gesagt, man kann auch dann eine Wettbewerbsrechtsverletzung begehen, wenn man irgendwas weglässt, kurz gesagt. Und in dem Absatz ist geregelt, dass es eben wettbewerbswidrig ist, wenn nicht ausdrücklich darauf hinweist, dass man eine geschäftliche Handlung vornimmt, die dazu dient, kommerzielle Zwecke zu fördern. Und da kommt es gar nicht darauf an, ob man den eigenen Warenabsatz oder einen fremden Warenabsatz fördert. Und in dem Fall, dass man Unternehmen verlinkt oder den Namen oder die Marke des Unternehmens in den Hashtags verwendet, ist es dann eben eine Förderung fremden Absatzes, so sieht es das Landgericht.
Theresa Heilmann: Das Ganze hat ja jetzt auch noch eine andere Dimension: Die Influencerin sagt jetzt: Was passiert denn eigentlich, wenn ich auf einen Marken-Account verlinke, und Werbung drunter schreibe? Könnte ich dafür auch direkt wieder eine Abmahnung erhalten, weil das Unternehmen sagt: Hey, wir haben dir nie Geld gezahlt. Was nun? Kann sie abgemahnt werden?
Dr. Jonas Kahl: Ja das ist – könnte man meinen – die Kehrseite dessen, was das Landgericht an der Stelle entschieden hat. Ich glaube, da kommt es dann ganz genau darauf an, wie man kennzeichnet, dass man nicht nur hinschreibt „Werbung“, sondern beispielsweise „Werbung ohne Kooperation“ oder „Werbung unbezahlt“. Das liest man in den letzten Tagen auch ab und zu, dass Influencer sich das zunutze machen. Und indem man so einen Zusatz zu dem Begriff „Werbung“ hinzufügt, macht man dann deutlich: Okay, hier gibt es im Hintergrund keine Verträge oder keine Kooperationsvereinbarungen und das Unternehmen ist da gar nicht einbezogen. Dass da jetzt ein Unternehmen tatsächlich hingeht und Influencer abmahnt, weil sie im Hashtag die Marke, die Unternehmensbezeichnung verwenden oder das Unternehmen verlinken, halte ich aber schon allein aus PR-Gesichtspunkten für einen ziemlichen Super-GAU und eigentlich sollte jedes Unternehmen froh sein, wenn es genannt und verlinkt wird. Und wenn das dann auch noch auf eine Art und Weise geschieht, dass der Influencer eigentlich meint, wettbewerbsrechtskonform zu handeln, indem er „Werbung“ hinschreibt, dann dürfte sich da eigentlich niemand dran stören.
Theresa Heilmann: Also ich finde diese Entscheidung tatsächlich eher ein bisschen wirr. Würdest du sagen, dass ist ein Urteil, das geht auf alle Fälle in die richtige Richtung oder ist es doch eher unglücklich geraten?
Dr. Jonas Kahl: Natürlich ist es unglücklich und schafft eine ganze Menge Rechtsunsicherheit für Influencer, aber letztlich ist es die konsequente Folge der Anwendung von diesem § 5a Absatz 6 im Gesetz gegen Unlauteren Wettbewerb. Dort ist eben geregelt, dass jede kommerzielle Handlung, die den fremden oder eigenen Absatz fördert, eben entsprechend gekennzeichnet werden muss. Das Landgericht Berlin hat, wie ich eingangs schon gesagt habe, eine ganze Menge Kriterien dafür aufgestellt und hat gesagt, es kommt eben auf die Gesamtumstände an und letztlich auch auf die Followerzahl und was da in der Vergangenheit gelaufen ist und was sonst noch so auf dem Account läuft. Das sind eine ganze Menge Kriterien und das spricht auch dafür, dass es immer noch eine ganze Menge Influencer gibt, die von dieser Rechtsprechung nicht betroffen sind. Aber natürlich kann ich jeden Influencer nachvollziehen oder verstehen, der sagt, ich weiß jetzt gar nicht mehr, woran ich bin. Und insofern muss man sagen: Ja, wir haben jetzt wieder eine weitere juristische Grauzone, rechtssicher als Influencer zu agieren, ist nahezu kaum möglich. Wenn man möglichst rechtssicher sein will, würde ich allen dazu raten, mit dem Zusatz „Werbung“ oder „Werbung ohne Kooperation“ dann an der Stelle die Postings in Zukunft zu kennzeichnen.
Theresa Heilmann: Ja, vielen Dank, Jonas! Das war die erste Edition von Evil Legal „BRANDAKTUELL“ mit Jonas und Theresa. Auf bald!